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196. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 02.07.2024.

1. Genehmigungsinhaberin

Forschungsverbund Berlin e. V., Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP)

2. Zell-Linie

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linie:

  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)

Die Genehmigung gilt auch für die Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linie.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) soll die Frage geklärt werden, wie synaptische Vesikel-Membranproteine durch axonalen Transport an sich bildende Synapsen gelangen, um dort als reife synaptische Vesikel die Freisetzung von Neurotransmittern zu vermitteln. Die Untersuchungen zu dieser Fragestellung erfolgen vor dem Hintergrund nur geringfügiger Kenntnisse über die Entstehung, die Zusammensetzung, die Ultrastruktur und den axonalen Transport der sog. präsynaptischen Vesikel des Menschen. Grundlage für die Durchführung dieser Forschungsarbeiten ist die Verfügbarkeit von hES-Zellen, in denen infolge einer Inaktivierung der Gene für alle vier Liprin-alpha-Proteine (Liprin-α1–4) die Umwandlung von Präsynapsen in reife Synapsen blockiert ist. In diesen Zellen sollen Gene für synaptische Vesikelproteine an einen genomischen Halo-Tag gekoppelt, die hES-Zellen dann neuronal differenziert und die in den Axonen akkumulierenden Vorläufervesikel isoliert und u.a. hinsichtlich ihrer Organisation, ihrer Ultrastruktur und ihres Proteoms charakterisiert werden. Anschließend sollen Gene, deren Produkte am axonalen Transport beteiligt sind und deren Funktionsverlust mit neurodegenerativen bzw. neurologischen Erkrankungen des Menschen einhergeht, in hES-Zellen funktional deletiert bzw. die Zellen mit krankheitsassoziierten genetischen Veränderungen versehen werden. Die aus diesen genetisch veränderten hES-Zellen abgeleiteten Neurone sollen dann bezüglich des Vorliegens möglicher Defizite im axonalen Transport, in der Bildung und Struktur der Synapsen sowie in deren Funktionalität untersucht werden, um die Konsequenzen der jeweiligen Mutationen für die Synaptogenese und für die Synapsenfunktion beurteilen zu können.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) der Erreichung hochrangiger Forschungsziele in der Grundlagenforschung.

Über die Prozesse der Bildung humaner Präsynapsen bestehen bislang nur unzureichende Kenntnisse. Dies ist unter anderem durch die transiente Natur und die geringe Anzahl der sog. (synaptischen) Vorläufervesikel begründet, wodurch deren Visualisierung und biochemische Charakterisierung erheblich erschwert wird. Daher sind Fragen nach der zellbiologischen Identität sowie den molekularen Grundlagen der Biosgenese und des axonalen Transports der Vorläufervesikel bislang nur unzureichend geklärt. Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen daher zunächst die Ultrastruktur, die biochemische Zusammensetzung sowie die Frage untersucht werden, auf welche Weise Vesikelproteine, die im Soma der neuronalen Zellen produziert werden, durch axonalen Transport an die sich bildende Synapse gelangen, um dort als reife synaptische Vesikel die Freisetzung von Neurotransmittern zu vermitteln. Voraussetzung hierfür ist die nunmehr gegebene Verfügbarkeit humaner ES-Zellen, in denen die Gene für alle vier Isoformen von Liprin-α deletiert wurden. Der knock out der Liprin-α-Gene führt zu einer gestörten Rekrutierung synaptischer Vesikelproteine in den präsynaptischen Komplex, die Produktion und der Transport der Vorläufervesikel sind jedoch nicht beeinträchtigt, so dass es in aus diesen Zellen gewonnenen Neuronen zu einer Akkumulation und erhöhten Präsenz synaptischer Vorläufervesikel kommt. Liprin-α-defiziente hES-Zellen sollen zu neuronalen Zellen differenziert, die Vorläufervesikel aus den Axonen isoliert und umfassend charakterisiert werden. Aus diesen Arbeiten sind wesentliche und bislang nicht zugängliche Kenntnisse über die Zusammensetzung, Organisation und Ultrastruktur menschlicher präsynaptischer Vorläufervesikel zu erwarten. Dies schließt auch die Aussicht darauf ein, durch Vergleich der Eigenschaften der Vorläufervesikel mit jenen reifer präsynaptische Vesikel erstmals molekulare Marker bestimmen zu können, die künftig eine spezifische Identifizierung und Lokalisierung von Vorläufervesikeln in Axonen ermöglichen könnten.

Im weiteren werden Erkenntnisse auf zwei Ebenen angestrebt. Die geplante funktionale Inaktivierung von Genen, die für am axonalen Transport beteiligte Proteine codieren, soll zum einen Aufschluss über mögliche Funktionen dieser Proteine für den Transport von Vorläufervesikeln geben. Ferner kann die Rolle dieser Genprodukte auch für die Reifung der Vorläufervesikel und für die Synapsenfunktion bestimmt werden. Hierfür sollen Funktionsverlustmutanten der entsprechenden Gene in hES-Zellen etabliert, die Zellen zu Neuronen differenziert und diese hinsichtlich der Auswirkungen der jeweiligen genetischen Veränderung auf den axonalen Transport der Vorläufervesikel, auf deren morphologische Eigenschaften, auf die Synapsenfunktion sowie auf die Präsenz und Translation von mRNA in den Axonen hin untersucht werden. Zum anderen steht ein Funktionsverlust von bzw. die Präsenz von Mutationen in den hier interessierenden Genen häufig mit neurologischen und/oder neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung, die auf Störungen der Entwicklung, Spezifikation und/oder Funktion der Synapsen zurückgeführt werden können. Daher ist geplant, in Patienten mit neurologischen/neurodegenerativen Erkrankungen identifizierte Mutationen in hES-Zellen zu etablieren, die Zellen anschließend zu exzitatorischen Neuronen zu differenzieren und die Effekte der jeweiligen Mutationen auf die Zusammensetzung der Vorläufervesikel, auf deren axonalen Transport, auf die Funktion der Synapsen sowie auf die Genexpressionsmuster der jeweiligen Zellen zu bestimmen. Die detaillierte Untersuchung der Konsequenzen des Funktionsverlustes solcher Gene auf die o. g. Prozesse wird aller Voraussicht nach zu einem verbesserten Verständnis der molekularen Pathogenese der mit diesen Mutationen assoziierten Erkrankungen beitragen, insbesondere auf den Ebenen der Bildung und des Transports von Vorläufervesikeln sowie der Synapsenfunktion. Zudem können auch neue Moleküle/Signalwege identifiziert werden, die einen Ansatzpunkt für die Identifizierung von potentiellen Wirkstoffen darstellen: eine Wiederherstellung der bei den jeweiligen Erkrankungen gestörten synaptischen Funktion könnte ggf. zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze beitragen.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen em­bryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass die Forschungsfragen in allen wesentlichen Punkten weitestmöglich vorgeklärt sind.

Zu den Mechanismen der Biogenese, des Transports sowie der Assemblierung der Schlüsselkomponenten der präsynaptischen Neurotransmission liegen in der Literatur zahlreiche Arbeiten vor. Studien in Modellorganismen wie C. elegans, D. melanogaster und der Maus haben gezeigt, dass der axonale Transport von Vorläufervesikeln eine konservierte Maschinerie benötigt, wobei der für die Forschung verantwortliche Wissenschaftler selbst maßgeblich zur Aufklärung der Mechanismen des axonalen Transports beigetragen hat. In einer jüngst veröffentlichten Studie wurde gezeigt, dass ein vollständiger knockout der Gene für Liprin-α in hES-Zellen zu einer Blockade der Akkumulation synaptischer Vesikel und in der Folge zu einem Verlust der synaptischen Transmission in aus diesen Zellen abgeleiteten Neuronen führt, ohne dass dabei die Biogenese und der axonale Transport der synaptischen Vorläufervesikel beeinträchtigt ist. In diesem Modellsystem, das erstmals ein Zugriff auf synaptische Vorläufervesikel ermöglicht, sollen nun bislang für den Menschen weitgehend ungeklärte Fragen nach der Zusammensetzung und dem Transport der Vorläufervesikel beantwortet werden. Das zentrale experimentelle Werkzeug für die hier genehmigten Forschungsarbeiten ist folglich umfassend charakterisiert. Auch die Assoziation der hier in Blick genommenen Gene, deren Produkte am axonalen Transport beteiligt sind, mit neurologischen/neurodegenerativen Erkrankungen ist bereits gut etabliert. Die für die Durchführung des Forschungsvorhabens erforderlichen experimentellen Vorgehensweisen, beispielsweise zur genetischen Veränderung der hES-Zellen, zur Durchführung der mikroskopischen und proteinbiochemischen Analysen oder zur Funktionsbestimmung der Synapsen, sind in der Literatur hinreichend beschrieben und beim Genehmigungsinhaber teilweise bereits etabliert.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Obwohl bestimmte Aspekte der Synapsenfunktion und -entwicklung gut konserviert sind, bestehen erhebliche genetische und funktionale Unterschiede zwischen humanen und murinen Hirnzellen, was die Nutzung menschlicher Zellen für die Erreichung der Forschungsziele erforderlich macht. So haben die Produkte homologer Gene in verschiedenen Spezies teils unterschiedliche Funktionen in den Synapsen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Erkenntnisse, die in Modellorganismen wie der Maus gewonnen werden, sich ohne weiteres auf den Menschen übertragen lassen, so dass die Erreichung der Forschungsziele die Verwendung menschlicher Zellen erfordert. Die Forschungsziele können auch nicht unter Nutzung anderer als pluripotenter Stammzellen des Menschen erreicht werden. Humane fötale neurale Stammzellen stehen nicht reproduzierbar in für die Durchführung des Forschungsvorhabens ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung. Dies trifft auch auf adulte neurale Stammzellen des Menschen zu, die zudem in vitro in nur geringen Mengen vermehrt werden können und nach ihrer Inkulturnahme häufig stark veränderte Teilungs- und Differenzierungseigenschaften aufweisen. Zudem sind diese Zellen den für die Projektdurchführung zwingend erforderlichen genetischen Veränderungen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht in gleicher Weise zugänglich wie pluripotente Stammzellen.

Die Forschungsziele lassen sich nach derzeitigem Kenntnisstand auch nicht unter Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) erreichen. Zum einen basieren die geplanten Forschungsarbeiten auf der Nutzung einer hES-Zell-Linie, in der die Gene für alle vier Isoformen des Liprin-α-Gens deletiert wurden, wodurch es zu einer Akkumulation synaptischer Vorläufervesikel in den Axonen der aus diesen Zellen abgeleiteten Neurone kommt. Diese auf anderem Wege bislang nicht zugänglichen Vorläufervesikel stellen das zentrale Untersuchungsobjekt des Forschungsvorhabens dar. hiPS-Zellen, in denen vergleichbare genetische Veränderungen vorgenommen und die Liprin-α-Gene ausgeschaltet wurden, sind derzeit nicht verfügbar. Ferner sollen im Forschungsvorhaben die Effekte von ggf. geringfügigen genetischen Veränderungen (Aminosäureaustausche in den resultierenden Genprodukten) untersucht werden, wofür ein nach Möglichkeit ursprüngliches und wenig verändertes Zellmaterial erforderlich ist, in dem sich wenige genetische Veränderungen infolge von Kultivierung und In-vitro-Manipulationen vollzogen haben. Diese Voraussetzung erfüllen hiPS-Zellen aber nicht in gleichem Maße wie hES-Zellen. hiPS-Zellen können zum einen Mutationen enthalten, die bereits in den für ihre Herstellung genutzten somatischen Zellen angelegt waren. Zum anderen können im Reprogrammierungsprozess nachweislich genetische Veränderungen erworben werden, deren Einfluss auf die hier zu analysierenden (ggf. subtilen) Veränderungen in der Biologie der Synapsen unbekannt ist. Derartige Unwägbarkeiten würden es aber ggf. erschweren, eindeutige Rückschlüsse auf die tatsächlichen Ursachen für die erwarteten pathologischen Effekte zu ziehen. Die Verwendung von hES-Zellen für die Erreichung der Forschungsergebnisse ist daher auch aus diesem Grund erforderlich.

Stand: 02.07.2024

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