22. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz
Erteilt am 01.08.2007. Genehmigung erweitert am 06.03.2009, 08.05.2009 und 09.04.2010 (siehe 2.). Registereintrag zuletzt aktualisiert am 09.04.2010. Forschungsvorhaben beendet. Genehmigung erloschen am 28.02.2017.
1. Genehmigungsinhaber(in)
Max-Planck-Gesellschaft (Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin, Münster)
2. Zell-Linien
Die vorgesehenen Forschungsarbeiten basieren auf humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) der folgenden Linien:
- H1 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H9 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
Im Rahmen der Erweiterung der Genehmigung vom 06.03.2009, 08.05.2009 und 09.04.2010 wurden zur Durchführung der unten benannten Forschungsarbeiten die Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen folgender weiterer Linien genehmigt:
- H7 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- HUES2 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- HUES6 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- NCL-3 (Newcastle Fertility Centre, Newcastle upon Tyne, Großbritannien)
- NCL-4 (Newcastle Fertility Centre, Newcastle upon Tyne, Großbritannien)
- Shef 3 (University Sheffield, Großbritannien)
Die Genehmigung gilt jeweils auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linie(n).
3. Angaben zum Forschungsvorhaben
Für ein Forschungsvorhaben zur Thematik der Reprogrammierung von somatischen Zellen durch Fusion mit humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) wurden die Einfuhr und Verwendung der oben genannten hES-Zellen genehmigt. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht die Fragestellung, ob und auf welchem Wege die Herstellung eines pluripotenten Zustandes in humanen somatischen Zellen durch Fusion mit hES-Zellen erreichbar ist und welche Faktoren und Signalwege daran beteiligt sind. Dabei soll zunächst geklärt werden, welche Zelltypen sich als somatische Fusionspartner am besten eignen (humane Fibroblasten, Stammzellen aus dem Nabelschnurblut oder aus hES-Zellen differenzierte Zellen), ob eine Reprogrammierung somatischer Mauszellen durch hES-Zellen möglich ist und ob die Expression bestimmter, mit Pluripotenz assoziierter Gene in den somatischen Fusionspartnern die Reprogrammierung begünstigt. Anschließend sollen Veränderungen im Genexpressionsmuster sowie im Epigenom der Fusionszellen im Vergleich zu somatischen und hES-Zellen untersucht werden. Daraus können Rückschlüsse auf am Reprogrammierungsprozess beteiligte Faktoren und Signalwege gezogen werden. Schließlich soll untersucht werden, ob und mit welchen Methoden der überzählige, aus den hES-Zellen stammende Chromosomensatz ganz oder teilweise aus den Fusionszellen entfernt werden kann.
Für das Forschungsvorhaben wird mit einer Dauer von fünf Jahren gerechnet.
4. Hochrangigkeit der Forschungsziele
Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegungen dienen die geplanten Forschungsarbeiten an hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Instituts (RKI) hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn in der Grundlagenforschung sowie, auf längere Sicht, der Schaffung von Grundlagen für neue therapeutische Verfahren zur Anwendung am Menschen.
Im Mittelpunkt des genehmigten Vorhabens steht die Untersuchung der Fragestellung, ob und in welchem Maße menschliche somatische Zellen durch Fusion mit hES-Zellen in einen ursprünglichen, pluripotenten Status zurückversetzt werden können. Letztendliches Ziel der Studien ist dabei die Aufklärung der molekularen Vorgänge, die zur Reprogrammierung führen, sowie gegebenenfalls die Identifizierung von daran beteiligten Faktoren aus den hES-Zellen (Reprogrammierungsfaktoren). Während zur Reprogrammierung muriner somatischer Zellen bereits eine Vielzahl von Studien vorliegt, ist die Reprogrammierung humaner Zellen bislang nur ansatzweise untersucht worden.
Das wesentliche Ziel der genehmigten Arbeiten ist es, Einblick in die Mechanismen zu gewinnen, die einer Reprogrammierung humaner somatischer Zellen durch hES-Zellen zu Grunde liegen. Kürzlich konnte im Maus-System gezeigt werden, dass die Expression von vier Genen ausreichend ist, um in somatischen Zellen der Maus einen pluripotenten Zustand wiederherstellen können. Die im vorliegenden Projekt beabsichtigte Untersuchung der Reprogrammierungsvorgänge nach Fusion von somatischen und hES-Zellen ist ein Schritt auf dem Weg zur Identifizierung entsprechender Faktoren beim Menschen. Die Analyse der Genexpressionsprofile sowie möglicher Veränderungen im Epigenom von humanen Fusionszellen und der Vergleich mit entsprechenden Daten aus somatischen Zellen und hES-Zellen kann zur Identifizierung von Genen führen, deren Regulation infolge der Reprogrammierung starken Veränderungen unterliegt, und damit zu neuen Erkenntnissen über Faktoren und Signalwege, die bei der Reprogrammierung somatischer humaner Zellkerne eine Rolle spielen. Insofern ist das Projekt geeignet, einen Beitrag zu einem hochrangigen Erkenntnisgewinn in der Grundlagenforschung zu leisten.
Ferner könnte das Projekt bei erfolgreicher Durchführung zur Schaffung von Erkenntnissen darüber beitragen, ob durch Zellfusion patientenspezifische pluripotente Zell-Linien herstellbar sind, die als Ausgangspunkt für die Untersuchung von bestimmten Krankheiten dienen könnten. Durch die Herstellung von Fusionszellen aus somatischen Zellen eines Patienten mit bekanntem Krankheitsverlauf und hES-Zellen könnten künftig beispielsweise pluripotente Zellen zur Verfügung gestellt werden, die für die Untersuchung von Pathogenese-Mechanismen der betreffenden Krankheit oder für die Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen diese Krankheit genutzt werden könnten. Die Fusion von hES-Zellen mit somatischen Zellen des Patienten und die anschließende Entfernung des aus den hES-Zellen stammenden Chromosomensatzes könnte ferner eine potentielle, wenn auch langfristige Möglichkeit darstellen, patientenspezifische pluripotente Zellen als Ausgangspunkt für Zell- und Gewebeersatz bereitzustellen. Durch die Schaffung von Voraussetzungen für die Bereitstellung von Fusionszellen aus patienteneigenen somatischen Zellen und hES-Zellen könnte das Projekt möglicherweise dazu beitragen, das Problem der erwarteten Immun-Inkompatibilität von Zellen und Gewebe aus hES-Zellen und der daraus folgenden Abstoßung transplantierten Materials durch das Immunsystem des Patienten zu lösen. Insofern verfolgt das Projekt in seiner langfristigen Perspektive auch hochrangige Ziele bei der Schaffung von Grundlagen für neue diagnostische und therapeutische Verfahren zur Anwendung am Menschen.
5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass wesentliche Aspekte der geplanten Arbeiten bereits mit embryonalen Stammzellen der Maus (murine embryonale Stammzellen , mES-Zellen) durchgeführt und in der Literatur beschrieben worden sind. Dies betrifft beispielsweise die Methodik und Analyse der Zellfusion von mES-Zellen mit verschiedenen somatischen Zellen oder die Seggregation von bestimmten Chromosomen des überzähligen Chromosomensatzes aus entsprechenden murinen Fusionszellen. Der Genehmigungsinhaber hat selbst wesentliche eigene Beiträge zum gegenwärtigen Kenntnisstand in der internationalen Literatur geleistet. Ferner existiert in der internationalen Literatur eine Publikation, in der eine erfolgreiche Reprogrammierung somatischer humaner Zellen durch Fusion mit hES-Zellen beschrieben wurde. Die geplanten Arbeiten sollen diese Studie einerseits bestätigen, andererseits gehen sie auch deutlich darüber hinaus, beispielsweise durch die vorgesehenen Untersuchungen des Epigenoms der Fusionszellen oder die geplanten Experimente zur Entfernung überzähliger Chromosomen aus den Fusionszellen, wofür es ebenfalls in der Literatur beschriebene und im Antragsverfahren dargelegte Vorversuche an Zellen der Maus gibt.
Im Antragsverfahren wurde ferner begründet dargelegt, dass zur Erreichung der Forschungsziele die Nutzung von hES-Zellen erforderlich ist. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass (multipotente) adulte Stammzellen zur Reprogrammierung somatischer Zellen genutzt werden könnten und das angestrebte Forschungsziel unter Nutzung bestimmter adulter Stammzellen anstelle von pluripotenten Zellen erreicht werden könnte. Eine Nutzung adulter Stammzellen in Reprogrammierungsexperimenten erfolgte bislang i.a. mit dem Ziel, diese durch Fusion mit pluripotenten Zellen in einen weniger differenzierten Zustand zurückzuversetzen. Für die Reprogrammierung somatischer Zellen in den pluripotenten Zustand sind nach derzeitigem Kenntnisstand pluripotente Zellen notwendig.
Die Nutzung muriner embryonaler Karzinom-Zellen (EC-Zellen) ermöglicht nach gegenwärtigem Kenntnisstand zwar die Reprogrammierung sowohl muriner neuraler Vorläuferzellen als auch humaner T-Zell-Lymphom-Zellen. Jedoch wird dabei nur das begrenzte Differenzierungspotential der jeweils genutzten EC-Zellen, das zwischen verschiedenen EC-Zellen differiert, auf die somatische Zelle übertragen. Insofern sind EC-Zellen nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand nicht geeignet, in somatischen Zellen einen umfassenden pluripotenten Zustand herzustellen. Murine embryonale Keimzellen (EG-Zellen) können murine somatische Zellen offenbar in einen pluripotenten Zustand reprogrammieren. Allerdings ist das Potential humaner EG-Zellen im Vergleich zu murinen EG-Zellen nach gegenwärtigem Kenntnisstand wesentlich geringer: Humane EG-Zellen bilden nach Transplantation in immunsupprimierte Mäuse keine Teratome, was für humane Zellen gegenwärtig als wesentlichster In-vivo-Test für die Bestimmung von Pluripotenz angesehen wird. Humane EG-Zellen haben zudem ein geringeres In-vitro-Differenzierungspotential als murine EG-Zellen bzw. ES-Zellen beider Spezies. Nach Differenzierung in embryoid bodies bilden sie i.a. keine spontan kontraktierenden mesodermal differenzierten Zellen. Insofern kann auch bei Nutzung von humanen EG-Zellen gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass sie humane somatische Zellkerne in den für hES-Zellen charakteristischen pluripotenten Zustand reprogrammieren können.
Die Nutzung von mES-Zellen zur Reprogrammierung humaner somatischer Zellen ist zur Erreichung des angestrebten Forschungszieles ebenfalls keine Alternative. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass potentielle Faktoren, die an der Reprogrammierung beteiligt sind, zwischen verschiedenen Spezies konserviert sein könnten. Jedoch ist gegenwärtig – insbesondere angesichts der Tatsache, dass sich die Mechanismen der Aufrechterhaltung von Pluripotenz in humanen und murinen ES-Zellen teilweise erheblich voneinander unterscheiden – nicht davon auszugehen, dass diese Faktoren in murinen und humanen Zellen identisch sind. Die im genehmigten Projekt zu klärende Frage, welche Faktoren in hES-Zellen bestimmend für den Reprogrammierungsvorgang sind, erfordert folglich die Verwendung von hES-Zellen.
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