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174. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 27.10.2021

1. Genehmigungsinhaber

Herr Professor David Keays, Ludwig-Maximilians-Universität München.

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linie:

  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linie.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Gegenstand der genehmigten Forschungsarbeiten ist die Untersuchung des Effektes von Mutationen in Genen, die für Mikrotubuli-Assoziierte Proteine (MAP) codieren, auf die neurale Differenzierung von hES-Zellen und auf die Entwicklung menschlicher neuronaler Organoide. Dabei sollen insbesondere Mutationen in den Genen für Mikrotubuli-assoziierte Serin/Threonin-Kinasen (MAST) untersucht werden, die u.a. mit einer Vergrößerung des Corpus Callosum und daraus resultierenden Entwicklungsstörungen und neuronalen Fehlfunktionen in Zusammenhang stehen. Im Rahmen der Forschungsarbeiten sollen die Gene für entsprechende MAST-Proteine in hES-Zellen zunächst jeweils entweder mittels knockout ausgeschaltet oder patientenspezifisch mutiert werden. Die mutierten Zellen sollen dann zu zerebralen Organoiden und zu Corpus-Callosum-Organoiden entwickelt und diese während verschiedener Entwicklungsphasen umfassend bezüglich der Genese und Migration neuraler Zellen, der neuronalen Differenzierung sowie des Grades der Apoptose analysiert werden. Um die Effekte der MAST-Gen-Mutationen auf molekularer Ebene zu bestimmen, sollen das Transkriptom, das Proteom und das Phosphoproteom in verschiedenen Entwicklungsphasen der Organoide analysiert, Veränderungen in der Kinase-Aktivität der MAST-Proteine bestimmt und zelluläre Wechselwirkungspartner der MAST-Proteine identifiziert werden. Anschließend sollen die Signalwege, an denen die Wechselwirkungspartner der MAST-Proteine beteiligt sind, näher untersucht und der Effekt von Mutationen in den MAST-Proteinen auf deren Integrität bestimmt werden.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) in erster Linie der Erreichung hochrangiger Forschungsziele in der Grundlagenforschung. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:

Zentrales Ziel des Forschungsvorhabens ist es, einen Beitrag zum Verständnis der molekularen Pathogenese von Erkrankungen zu leisten, die mit genetischen Veränderungen in den Genen für MAPs (Microtubuli-Associated Proteins) assoziiert sind. Hierfür ist ein grundlegendes Verständnis über die Rolle von MAST-Proteinen in der menschlichen Gehirnentwicklung erforderlich, zu dem ebenfalls beigetragen werden soll.

Hintergrund für das Forschungsvorhaben sind jüngere Erkenntnisse, dass Mutationen in MAST-Genen u.a. mit einer Vergrößerung des Corpus Callosum, kortikalen Missbildungen und zerebraler Hypoplasie einhergehen und teils mit verzögerter Entwicklung, geistiger Behinderung, Störungen der Motorik und Epilepsie oder Rett-Syndrom assoziiert sind. Daher sollen im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten humane Zellmodelle etabliert werden, an denen die Effekte spezifischer Mutationen in MAP-Genen auf verschiedene Aspekte der Entwicklung neuronaler Zellen und Organoide untersucht werden können, um ein besseres Verständnis von den molekularen Grundlagen der mit den entsprechenden Mutationen verbundenen pathologischen Veränderungen zu erlangen. Hierfür sollen die Gene für MAST-Proteine in hES-Zellen entweder inaktiviert oder in einer Weise mutiert werden, dass sie mit Entwicklungsstörungen/neuronalen Erkrankungen assoziierte Mutationen enthalten. Die genetisch veränderten Zellen sollen dann zu zwei Typen neuronaler Organoide differenziert werden: zu zerebralen Organoiden und zu Corpus-Callosum-Organoiden, an denen dann durch die genetische Manipulation bedingte Veränderungen in ihrer Entwicklung und ihren Eigenschaften untersucht werden sollen. Dies soll Erkenntnisse darüber erbringen, ob und inwieweit die genetisch veränderten Zellen in der Lage sind, die neuralen Organoide überhaupt zu bilden, in welcher Entwicklungsstufe eine Fortentwicklung ggf. nicht mehr möglich ist und welche offensichtlichen Veränderungen in der Struktur der Organoide auftreten.

Ferner sollen die Organoide zu verschiedenen Zeitpunkten ihrer Entwicklung hinsichtlich ihrer morphologischen und elektrophysiologischen Eigenschaften analysiert werden. Hierfür sollen vor allem Aspekte der Neurogenese, der neuronalen Migration, der neuronalen Differenzierung sowie die Apoptoserate untersucht und die Effekte der jeweils vorliegenden Mutation auf die genannten Prozesse bestimmt werden. Daraus lassen sich voraussichtlich Rückschlüsse auf die Funktionen der jeweiligen MAST-Genprodukte auf spezifische Prozesse und Phasen der neuronalen Entwicklung sowie auf die Struktur von Gehirn-Organoiden ziehen. Zudem sollen mögliche Veränderungen in der elektrischen Aktivität sowohl einzelner Neurone als auch ganzer Organoide bestimmt und dadurch Erkenntnisse darüber gewonnen werden, zu welchen Änderungen in den physiologischen Eigenschaften und in der Funktionalität neuronaler Zellen/Organoide die an den MAST-Genen vorgenommenen genetischen Veränderungen führen.

Weiterhin sollen molekulare Aspekte der durch Manipulation der MAST-Gene verursachten Veränderungen in der Entwicklung und Funktion neuronaler Zellen/Organoide detailliert untersucht werden. Hierfür sollen mittels Transkriptomanalysen ggf. Gene identifiziert werden, deren Expression infolge einer (mutationsbedingten) Modulation der Kinaseaktivität der jeweiligen MAST-Proteine verändert ist. Zudem sollen Interaktionspartner der MAST-Proteine identifiziert und ggf. Veränderungen im Spektrum ihrer jeweiligen Wechselwirkungspartner infolge der genetischen Manipulationen bestimmt werden. Außerdem sollen mögliche Veränderungen im Phosphoproteom der sich entwickelnden neuronalen Organoide festgestellt werden, woraus Rückschlüsse auf Veränderungen in der Aktivität und Spezifität der von den MAST-Genen codierten Kinasen gezogen werden können. Zudem könnten auf diesem Wege auch neue Substrate der von den jeweiligen MAST-Genen codierten Kinasen identifiziert werden. Durch weitere Experimente soll zudem die Ursächlichkeit der Mutation für die jeweils beobachteten Phänomene bestätigt und die grundsätzliche Möglichkeit der Aufhebung pathologischer Effekte durch pharmakologische Interventionen aufgezeigt werden.

Schließlich sollen die Gene, die für Wechselwirkungspartner und Substrate der verschiedenen Kinasen codieren, durch virale Vektoren oder durch Transfektion in Organoide eingebracht und überexprimiert und der Effekt auf die (sich entwickelnden) Organoide bestimmt werden. Aus diesen Analysen werden Erkenntnisse über Signalwege erwartet, die downstream der durch MAST-Gene codierten Kinasen liegen und von ihnen ggf. reguliert werden, infolge der Mutationen jedoch dereguliert oder modifiziert sind und folglich zur Pathogenese der mit den jeweiligen Mutationen assoziierten Erkrankungen beitragen könnten.
Die erwarteten Erkenntnisse könnten auch von Bedeutung für die Entwicklung neuer diagnostischer, präventiver und therapeutischer Verfahren zur Anwendung beim Menschen sein. Zum einen könnten neue Targets für die Arzneimittelentwicklung identifiziert werden, zum anderen könnte durch die Aufklärung der Ursächlichkeit bestimmter Mutationen für teils schwerste neurologische Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen auch ein Beitrag zur Fortentwicklung der Gendiagnostik geleistet werden.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt ist.

Die Assoziation von Mutationen in MAST-Genen mit Entwicklungsstörungen und neurologischen Erkrankungen ist in jüngerer Zeit vertieft untersucht worden und in der wissenschaftlichen Literatur mittlerweile gut belegt. So führen Mutationen im MAST1-Gen zu einem vergrößerten Corpus Callosum (Mega-Corpus Callosum-Syndrom), Hypoplasie des Cerebellums und kortikalen Fehlbildungen. Zudem treten Entwicklungsverzögerungen und Epilepsien auf. Mutationen im MAST3 und MAST4-Gen sind mit Rett-Syndrom sowie mit Epilepsien assoziiert.

In der Maus führen krankheitsassoziierte Mutationen im MAST1-Gen zur partiellen Rekapitulation des menschlichen Phänotyps, beispielsweise zur Vergrößerung des Corpus Callosum. Zudem liegen Hinweise darauf vor, dass mit dem Mega-Corpus-Callosum-Syndrom assoziierte Mutationen die Spezifität der Kinase MAST1 verändern und vermutlich über einen gain of function-Mechanismus zur Krankheitsentwicklung führen. Zudem wurden bereits Interaktionspartner von MAST1 identifiziert, was zur Erklärung bestimmter Aspekte der menschlichen Krankheit beitragen könnte. Zudem wurden knockout-Modelle für MAST1 bis MAST 4 in Mäusen etabliert, in denen weitreichende Veränderungen im zellulären Phosphoproteom detektiert wurden. Allerdings lassen sich nicht alle Aspekte der mit Mutationen in den MAST-Genen assoziierten Erkrankungen des Menschen in der Maus rekapitulieren, beispielsweise das Auftreten typischer motorischer Störungen oder die häufige Entwicklung von Epilepsien. Obwohl die im Mausmodell gewonnenen Daten erheblich zur Vorklärung der Forschungsfragen beitragen, zeigen sie gleichzeitig die Grenzen der Nutzung tierischer Modelle für die Erforschung der menschlichen Gehirnentwicklung und deren Störungen auf.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Wesentliches Ziel der beantragten Forschungsarbeiten ist die Aufklärung der Konsequenzen der Inaktivierung oder Mutation von MAST-Genen im Menschen für die Gehirnentwicklung. Dies erfordert die Nutzung eines humanen Zellmaterials. Fragen, die im Zusammenhang mit der Erreichung dieses Forschungsziels stehen, können aufgrund von Unterschieden in der Entwicklung des Gehirns nicht durch Analysen von neuronalen Zellen oder Organoiden aus anderen Spezies, insbesondere von Nagern, geklärt werden, sondern erfordern die Nutzung menschlicher Zellen. Die Forschungsziele können auch nicht unter Nutzung anderer als pluripotenter Stammzellen des Menschen erreicht werden. Primäre humane Neurone stehen nicht reproduzierbar in für die Durchführung des Forschungsvorhabens ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung. Für humane fötale neurale Stammzellen trifft dies ebenfalls zu. Zudem gibt es derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass andere als humane pluripotente Stammzellen erfolgreich für die hier erforderliche Herstellung von dreidimensionalen Gehirn-Organoiden genutzt und damit zur Erreichung der Forschungsziele eingesetzt werden könnten.

Es wurde ferner dargelegt, dass die Forschungsziele nach derzeitigem Kenntnisstand auch nicht unter Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) erreicht werden können. Aussagekräftige Analysen der zellulären und molekularen Funktionen von MAST-Proteinen sowie der molekularen Pathogenese von Krankheiten, die mit Mutationen in den MAST-Genen assoziiert sind, erfordern einen homogenen genetischen Hintergrund. Die Herstellung von iPS-Zellen und deren ausgedehnte Kultur in vitro führt jedoch zu genetischer und epigenetischer Instabilität sowie zu de-novo-Mutationen, die ggf. mit der Analyse von MAST-Funktionen interferieren könnten. Auch aus Patienten abgeleitete iPS-Zellen, die bereits Mutationen in den MAST-Genen enthalten, sind für die Erreichung der Forschungsziele nicht in gleicher Weise geeignet wie hES-Zellen, da in aus Patienten abgeleiteten Zellen die interessierende Mutation vor einem jeweils anderen genetischen Hintergrund besteht, was ggf. nur eingeschränkt Schlussfolgerungen über Phänotyp-Genotyp-Korrelationen erlauben würde.

Stand: 27.10.2021

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