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1971 bis 1980: Bauen am Nordufer

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Foto vom Rohbau des neuen Haus 4, mit Übergang zum Hauptgebäude, 1976. Quelle: © RKI Foto vom Rohbau des neuen Haus 4, mit Übergang zum Hauptgebäude, 1976. Quelle: RKI

Der Neubau am Nordufer wirkt massiv, fast undurchdringlich. Eine Fassade aus dunkelbraunem Metall. Fenster wie Bullaugen, davor feste, silberne Lamellen gegen die Sonne. Als Dominique Krüger zum ersten Mal das Haus 4 des Robert Koch-Instituts betritt, ist er überwältigt. „Die Labore waren das Modernste, was man finden konnte. Auch im europäischen Maßstab.“ Die schicken, dunkelbraunen Laborbänke mit Edelstahlplatten entsprechen höchsten Standards – die Laborarbeitstische, an denen der Biologie-Student bislang gesessen hat, stammen noch aus Kaiserzeiten. Überhaupt: Im Fachgebiet Tierphysiologie an der FU Berlin gibt es geradeeinmal ein Elektronenmikroskop und lange Wartelisten. Im Haus 4 im RKI gibt es drei, das vierte ist schon unterwegs. Es ist 1979, Dominique Krüger ist 28 Jahre alt und weiß: Hier will er arbeiten.

Dominique Krüger forscht jahrelang in der Elektronenmikroskopie des RKI, später in der Bakteriologie und der Parasitologie. Seit einigen Jahren ist er Nutzer- und Baukoordinator für den RKI-Standort Seestraße. Die bauliche Entwicklung des Instituts hat ihn immer fasziniert. Als besonderes Stück hat er ein Foto von 1976 mitgebracht: Haus 4 ist fast fertig. Im vorderen Teil sind noch das Mauerwerk und der Rohbau des Übergangs zum Hauptgebäude zu sehen, der Fuß des Baukrans steckt im heutigen Sitzungsraum 064, gegenüber der Kantine. „Unzählige Male habe ich dort getagt“, sagt er. „Niemals ist mir in den Sinn gekommen, dass da mal ein Kran dringestanden hat.“

Ein Dreieck im Wedding

Seit mehr als 100 Jahren hat das Robert Koch-Institut seinen Sitz im Berliner Wedding, in direkter Nachbarschaft zum Westhafen und dem Campus des Virchow-Klinikums. Das dreieckige Areal grenzt an das Nordufer im Süden, die Föhrer Straße im Westen und die Buchstraße im Nordosten. Anfang des 20. Jahrhunderts stehen hier das Hauptgebäude im Gründerzeitstil, mehrere Tierställe mit Außengehegen – „zu Robert Kochs Zeiten gab es hier sogar Kamele“, berichtet Krüger – und ein Beamtenwohnhaus. 1915 wird noch das sogenannte Wutschutzgebäude für die Tollwutforschung in Betrieb genommen. Dann kommt der Zweite Weltkrieg. Das Institut wird schwer beschädigt. Eine Bombe schlägt in einen der Tierställe ein, und die Druckwellen der Bomben, die in der Nachbarschaft niedergehen, fegen die Ziegel von den Dächern. „Nach Kriegsende war alles ziemlich marode. Aber die Substanz war wertvoll genug, dass es sich gelohnt hat, sie wiederaufzubauen“, sagt Dominique Krüger.

„ Nach Kriegsende war alles ziemlich marode. Aber die Substanz war wertvoll genug, dass es sich gelohnt hat, sie wiederaufzubauen.“

Wiederaufbau in den 1950er Jahren

In den 1950er Jahren kümmert sich der damalige Direktor Georg Henneberg erst einmal darum, die bestehenden Backsteingebäude und Stallungen zu erhalten – und zu modernisieren. Dächer werden neu gedeckt, Schornsteine wieder aufgebaut. Das Haupthaus wird zum Nordufer hin erweitert, unter anderem entsteht hier der Raum für das Museum. Und der Hörsaal erhält einen Projektionsraum und neue Sitzreihen – selbstverständlich mit Aschenbechern. Fotos von der Baustelle aus der Zeit zeigen neben Arbeitern in der typischen Maurerkluft mit Kutte und Schiebermütze auch junge Männer mit orientalischer Kopfbedeckung auf den hölzernen Baugerüsten. „An der Wiederherstellung der Gebäude waren auch die ersten Gastarbeiter beteiligt“, sagt Krüger.

Auch die Fassade und das Portal des Gründerzeitgebäudes werden wiederhergerichtet – und versachlicht. Die im Krieg halb zerfallenen Türmchen werden abgerissen, der steinerne Äskulapstab mit den Initialen RKI über der Pforte verschwindet ebenfalls. Nachdem die Mitarbeiter das Institut jahrelang nur über den Seiteneingang in der Föhrer Straße betreten haben, will Georg Henneberg den alten Haupteingang am Nordufer neu beleben: Er lässt eine Auffahrt vor dem Eingangsportal errichten. Im April 1960 wird sie eingeweiht, stilecht mit einem vorfahrenden VW Käfer. 1967 schließlich überprüft der Wissenschaftsrat die Arbeitsweise des RKI in einem Gutachten und schlägt eine umfassende Neuorientierung und Ausweitung des Instituts vor. Es sei diesem Gutachten und dem unermüdlichen Einsatz Hennebergs zu verdanken, dass der Laborneubau schließlich errichtet worden ist, sagt Dominique Krüger.

Haus 4

Die Planungen beginnen noch 1967, der Grundstein für das neue Haus wird am 3. August 1973 gelegt. Die Berliner Morgenpost schreibt damals: „Die Fertigstellung des ganzen Komplexes mit einem Verbindungsbau zum jetzigen Haupthaus, Parkplätzen in zwei Etagen und Kantine wird in etwa sechs Jahren erwartet.“ Der Neubau schafft Platz für die Abteilungen Virologie und Zytologie, für Biophysik-Arbeitsgruppen und eine Radiobiologie. 41 Millionen DM werden vom Bundestag bewilligt, 71 Millionen wird das Haus letztendlich kosten. Die Planung übernimmt die Bundesbaudirektion.

Das Haupthaus wird zum Nordufer hin erweitert, unter anderem entsteht hier der Raum für das Museum. Und der Hörsaal erhält einen Projektionsraum und neue Sitzreihen – selbstverständlich mit Aschenbechern.

„Da die örtlichen Verhältnisse keine Ausdehnung des Grundstücks zuließen, wurden einige ältere Gebäude abgerissen“, sagt Dominique Krüger. Tierställe und Beamtenwohnhaus müssen weichen. Passend zum Dreieck Föhrer Straße/Buchstraße wählen die Planer einen dreieckigen Baukörper für das neue Gebäude aus. Am 2. Oktober 1975 wird Richtfest gefeiert: das Polizeiorchester Berlin spielt, es gibt Eisbein. Ab 18 Uhr, auch das steht im Programm, werden die türkischen Arbeitnehmer verköstigt – 1975 war Anfang Oktober Ramadan. Drei Jahre später ist der Neubau fertig. Neben dem Hauptgebäude (Haus 1), dem noch verbliebenen ehemaligen Tierstall für mittlere Tiere (heute Haus 2) und dem früheren Wutschutzgebäude (Haus 3) wird er schlicht „Haus 4“ genannt.

Die Metallverkleidung des Neubaus soll eine besondere Dichtigkeit vermitteln: „Anwohner hatten sich seinerzeit beschwert, weil sie Angst vor einem eventuellen Austritt von gefährlichen Bakterien und Viren hatten“, sagt Dominique Krüger. Den Neubau flankieren zwei Werke des Künstlers Ansgar Nierhoff: Einmal ein großes Gerüst aus Edelstahlstangen, das vom Übergang von Haus 1 zu Haus 4 – vom Alten zum Neuen – durchstoßen wird und entsprechend „Durchbruch“ heißt. Das zweite Kunstwerk – runde, zerteilte Betonplatten mit dem Titel „Kreis und Ellipse“ – befindet sich im Garten zwischen den Häusern 1 und 3.

Gelbfieberlabor und U-Bahn-Schwingungen

Die Labore in Haus 4 zählen damals zu den modernsten in ganz Europa. „Es gab genug Steckdosen, sogar ein spezielles Messnetz, an das man besonders empfindliche Geräte anschließen konnte, Gas, CO2, Druckluft, voll entsalztes Wasser aus dem Hahn, und alle Labore hatten Kalt- und Warmwasser. Das war schon sehr komfortabel“, berichtet Dominique Krüger. Auch ein Hochsicherheitslabor der zweithöchsten Schutzstufe S3 ist eingerichtet: Hier werden Gelbfieber-Impfstoffe getestet, die das RKI bis in die frühen Achtziger Jahre produziert. Sogar Proben von Pocken-Verdachtsfällen hätten damals hier untersucht werden können.

Die Elektronenmikroskope sind zunächst im Keller untergebracht. Man befürchtet, dass Schwingungen, die durch die U-Bahn verursacht werden, die fotografischen Aufnahmen stören.

Die Elektronenmikroskope sind zunächst im Keller untergebracht. „Man befürchtete, dass Schwingungen, die durch die U-Bahn verursacht wurden, die fotografischen Aufnahmen stören würden“, sagt Krüger. Die Mikroskope sollen daher auf Fundamenten stehen, die wiederum selbst auf Gefäßen mit einer teerhaltigen Substanz gelagert sind. Bei Raumtemperatur ist die Substanz hart, durch Erhitzen kann sie aber weicher gemacht werden. Auf diese Weise sollen kleinste Erschütterungen neutralisiert werden. In Betrieb geht die aufwändige Anlage allerdings nie: „Es ging nämlich auch so.“ Im Sommer 1979 macht Dominique Krüger erst ein Praktikum in der Elektronenmikroskopie, dann schreibt er hier seine Diplomarbeit, schließlich seine Dissertation. Als Postdoc arbeitet er einige Jahre in der Ernährungsmedizin des Bundesgesundheitsamts. Ansonsten bleibt er im RKI.

Haus 6

Heute ist die dunkelbraune Metallfassade von Haus 4 von der Sonne ausgeblichen, die Lamellen sind an einigen Stellen verwittert. Labore gibt es hier keine mehr. Sie befinden sich jetzt im Haus 6, dem neuen Laborgebäude am Standort Seestraße, zehn Minuten Fußweg entfernt. Dominique Krüger hat diesen Neubau jahrelang begleitet, unter anderem war er für die Ausstattung der Labore verantwortlich – das RKI verfügt jetzt sogar über ein Labor der höchsten Schutzstufe S4. Im Februar 2015 wurde Haus 6 in der Seestraße feierlich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeweiht. „Zwischen der Inbetriebnahme von Haus 4 und der vollständigen Übernahme von Haus 6 liegen 37 Jahre.“ Es ist Dominique Krügers gesamtes Arbeitsleben.

Im Februar 2015 wurde Haus 6 in der Seestraße feierlich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeweiht. Zwischen der Inbetriebnahme von Haus 4 und der vollständigen Übernahme von Haus 6 liegen 37 Jahre.

Stand: 16.10.2017

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