Die Lebens­erwartungs­lücke zwischen wohlhabenden und sozio­ökonomisch benachteiligten Wohn­regionen ist gewachsen

Pressekonferenz zum 30. Kongress "Armut und Gesundheit" am 17. März 2025

Stand:  17.03.2025

Pressestatement von Dr. Jens Hoebel, Fachgebiet Soziale Determinanten der Gesundheit, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheits­monitoring, Robert Koch-Institut, Berlin

Auch in einem wohlhabenden Land wie Deutschland hängen die Gesundheits- und Lebenschancen eng mit der sozialen Lage zusammen. Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status haben höhere Erkrankungsrisiken und versterben durchschnittlich früher als jene mit hohem sozioökonomischem Status. Die Datenlage zu dieser gesundheitlichen Ungleichheit hat sich über die letzten Jahrzehnte deutlich verbessert. Während es in den 1990er Jahren in Deutschland noch darum ging, die gesundheitliche Ungleichheit mit repräsentativen Daten nachzuweisen sowie in Art und Ausmaß zu beschreiben, stellen sich in der Gesundheits­bericht­erstattung heute stärker Fragen zu ihrer zeitlichen Entwicklung: Hat sich die gesundheitliche Ungleichheit über die letzten Jahrzehnte verringert oder weiter verstärkt?

Zum Auftakt des 30. Kongresses "Armut und Gesundheit" am 17. und 18. März 2025 in Berlin veröffentlicht das Robert Koch-Institut heute neue Daten zur gesundheitlichen Ungleichheit. Im Journal of Health Monitoring – der Online-Zeitschrift der Gesundheits­bericht­erstattung des Bundes – wird über eine Datenanalyse zur zeitlichen Entwicklung der "Lebenserwartungslücke" in Deutschland berichtet. Die Lebenserwartungs­lücke bezeichnet die Differenz in der Lebenserwartung zwischen den wohlhabendsten und den sozio­ökonomisch am stärksten benachteiligten Regionen im Bundesgebiet. Das multidisziplinäre Forschungsteam verknüpfte Daten aller Sterbefälle mit Wohnsitz in Deutschland über einen Zeitraum von 20 Jahren mit dem "German Index of Socioeconomic Deprivation" des RKI. Dieser Index ist ein Maß für die sozioökonomische Lage der Regionen in Deutschland. Er fasst regionale Informationen zu Bildungs­abschlüssen, zur Beschäftigung und zum Einkommen zusammen.

Die Ergebnisse zur Lebenserwartungs­lücke zeigen: Frauen in Wohnregionen mit der höchsten sozio­ökonomischen Benachteiligung hatten zuletzt eine 4,3 Jahre kürzere Lebens­erwartung als jene in den wohl­habendsten Wohnregionen, bei Männern betrug diese Differenz 7,2 Jahre.

Die Lebenserwartungslücke hat sich über den 20-Jahres-Zeitraum von 2003 bis 2022 vergrößert. Anfang der 2000er Jahre betrug sie noch 2,6 Jahre bei Frauen und 5,7 Jahre bei Männern. Bereits vor der COVID-19-Pandemie entwickelte sich die Lebenserwartung in den wohlhabendsten Regionen günstiger als in den am stärksten benachteiligten Regionen. In der Pandemie sank die Lebenserwartung insbesondere unter Frauen und Männern in stark benachteiligten Gegenden. Beide Entwicklungen trugen zu der Ausweitung der Lebenserwartungslücke bei. Die Befunde weisen darauf hin, dass sich die gesundheitliche Ungleichheit in den letzten Jahrzehnten verstärkt hat. Die Entwicklung einer umfassenden Strategie zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit gehört daher mehr denn je auf die Agenda.

Die aktuelle Publikation im Journal of Health Monitoring ist über den Kurzlink www.rki.de/johm abrufbar, weitere RKI-Daten und Links zum Thema Sozialstatus und Gesundheit sind unter www.rki.de/sozialstatus zu finden.