UNSGM-Projekt

Beitrag zur Stärkung des Generalsekretärs-Mechanismus der Vereinten Nationen zur Untersuchung eines vermuteten Einsatzes biologischer Waffen.

Stand:  10.04.2025

Ziel des UNSGM-Projekts "Strengthening the UNSGM" ist die Stärkung des so genannten Generalsekretärs-Mechanismus der Vereinten Nationen (United Nations Secretary-General’s Mechanism, UNSGM) zur Untersuchung eines vermuteten Einsatzes chemischer, biologischer und toxikologischer Waffen. Dies ist der einzige Mechanismus, welcher im Falle eines vermuteten Biowaffeneinsatzes eine international unabhängige Aufklärung legitimieren und durchführen kann. Das UNSGM-Projekt wird vom Auswärtigen Amt gefördert und unterstützt das Netzwerk und den Austausch zum UNSGM sowie die Einsatzbereitschaft von UNSGM nominierten Expertinnen und Experten durch ein Angebot von Trainingsmodulen und Simulationsübungen.

Hintergrund

Der Generalsekretärs-Mechanismus der Vereinten Nationen

Der Generalsekretärs-Mechanismus der Vereinten Nationen dient der Untersuchung eines vermuteten Einsatzes chemischer, biologischer und toxikologischer Waffen und bietet den Rahmen für objektive internationale Untersuchungen angeblicher Verstöße gegen das Genfer Protokoll, das Übereinkommen über biologische Waffen (BWÜ) oder andere maßgebliche Gesetze des Völkerrechts. Auf Antrag eines Mitgliedsstaates der Vereinten Nationen ist der Generalsekretär (Secretary-General, SG) autorisiert, Untersuchungen über einen vermuteten Einsatz der genannten Waffen einzuleiten. Er kann ein Expertenteam zur Tatsachenermittlung (sog. fact finding mission) entsenden und einen Bericht an alle Mitgliedsstaaten verfassen. Als Schlüsselelement dieses Mechanismus unterhält der Generalsekretär eine Liste (sog. Roster) von Expertinnen und Experten und Laboratorien, welche durch die Mitgliedsstaaten bereitgestellt werden, sowie Richtlinien und Verfahren für die Durchführung von Untersuchungen.

Darstellung des Generalsekretärs-Mechanismus der Vereinten Nationen (UNSGM) zur Untersuchung eines vermuteten Einsatzes biologischer, chemischer oder toxikologischer Waffen.

Darstellung des Generalsekretärs-Mechanismus der Vereinten Nationen (UNSGM) zur Untersuchung eines vermuteten Einsatzes biologischer, chemischer oder toxikologischer Waffen.

© RKI

Das Konzept sieht vor, einzelne Expertinnen und Experten unterschiedlicher Berufsgruppen und Labore des Rosters mit der Tatsachenermittlung zu beauftragen. Es wird von ihnen erwartet, als Teil eines multinationalen Teams mit spezifischen Teilaufgaben zu kooperieren. Hierbei ist zu erwarten, dass sich das Team u.a. damit konfrontiert sieht, dass der vorhandene Wissens- und Trainingsstand voneinander abweicht oder die Expertinnen und Experten auf Grundlage unterschiedlicher nationaler Verfahren und Richtlinien arbeiten.

Um die Expertinnen und Experten und Labore auf einen möglichen Ernstfall vorzubereiten, wird durch das Büro für Abrüstungsfragen der Vereinten Nationen (United Nations Office for Disarmament Affairs, UNODA) gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten laufend eine Übersicht benötigter Trainingsthemen erstellt und an den Bedarf angepasst. Durch UNODA werden die Maßnahmen koordiniert, sodass thematisch ein breites Feld und aufeinander aufbauende Workshops und Trainings durchgeführt werden können.

Das weltweit erste Training für Expertinnen und Experten dieser Art wurde im Jahr 2009 in Schweden durchgeführt; ein zweiter derartiger Kurs wurde 2012 von Frankreich angeboten. Neben Deutschland leisten mittlerweile eine Vielzahl von Mitgliedsstaaten u.a. Frankreich, Großbritannien, Kanada, Portugal, Schweden, Schweiz, Südafrika oder die USA einen Beitrag zur Stärkung des UNSGM durch Trainings, Übungen oder Workshops.

Engagement des Robert Koch-Instituts

Das Robert Koch-Institut (RKI) ist die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention und damit auch auf dem Gebiet der anwendungs- und maßnahmenorientierten biomedizinischen Forschung. Eine der Aufgaben des Institutes besteht darin, biologische Gefahrenlagen durch Unfälle oder absichtliche Freisetzung sowie natürliche Ausbrüche hochpathogener und bioterroristisch relevanter Agenzien zu erkennen.

Auf internationaler Ebene engagiert sich das Robert Koch-Institut unter Förderung vom Auswärtigen Amt für den UNSGM. Dies erfolgt in enger Kooperation mit UNODA zum einen durch die Organisation und Durchführung von verschiedenen Trainings für die UNSGM-nominierten Biowaffenexpertinnen und -experten und zum anderen durch die Stärkung des Labornetzwerkes und der entsprechend benötigten Laborkapazitäten auf dem Gebiet der Virologie, Bakteriologie und Toxikologie (siehe RefBio - Deutscher Beitrag zur Stärkung der Referenzlabore Bio im UNSGM).

Im Rahmen des UNSGM-Projektes zur Stärkung der nominierten Biowaffenexpertinnen und -experten wird das Netzwerk und der Austausch zum UNSGM unterstützt und verschiedene Trainingsmodule und Simulationsübungen entsprechend der aktuellen Bedarfe angeboten.

Trainingsmodule

E-Learning zum Thema "Persönliche Schutzausrüstung"

E-Learning zum Thema "Persönliche Schutzausrüstung".
© RKI

Im Rahmen des Projektes wurde 2021 ein e-Learningmodul zum Thema Persönliche Schutzausrüstung (PSA) entwickelt. Das Modul "Staying safe on missions with infectious threats – Introduction to and components of Personal Protective Equipment" liefert eine Einführung zum Thema PSA mit dem Fokus auf einen möglichen Einsatz zu biologischen Gefahren. Neben der Vermittlung von Grundkenntnissen soll das Bewusstsein für das Thema geschärft werden. Es ersetzt keine praktischen Schulungen oder Übungen, soll aber als erstes Element eines mehrstufigen Lernansatzes für UN-Expertinnen und -Experten verstanden werden. Die digitale Form ermöglicht einen uneingeschränkten Zugang für die UN-Expertinnen und -Experten.

Sicherheitstrainings für UN-Expertinnen und -Experten

Nicht erst seit der letzten UNSGM-Mission in Syrien 2013 ist offensichtlich, dass eine Untersuchungsmission aufgrund unterschiedlicher Sicherheitsrisiken für die Expertinnen und Experten physisch und psychisch sehr herausfordernd sein kann. Um die für den UNSGM nominierten Expertinnen und Experten bestmöglich auf solche Situationen vorzubereiten und ihnen Handlungsoptionen aufzuzeigen, sollten sie einen sog. HEAT-Kurs (Hostile Environment Awareness Training) o.ä. durchlaufen. Die Module dieser Ausbildung sind ausgerichtet auf die Anforderungen und Vorgaben der UN für Einsatzkräfte im Ausland. Das Training fand vom 15. bis 20. September 2019 in Bad Neuenahr-Ahrweiler/Baumholder statt und wurde von 17 internationalen Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen sowie Vertretern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen besucht (OVCW) durchlaufen. Ausgerichtet wurde das Training von der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz, der heutigen Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ). Anhand von theoretischen und praktischen Elementen wurden die Teilnehmenden für potentielle Gefahren im Feld sensibilisiert und mit entsprechenden Maßnahmen und Techniken im Umgang mit diesen Gefahren vertraut gemacht. Die Konfrontation mit unterschiedlichen Szenarien erforderte die Anwendung des Gelernten bei der die Zusammenarbeit im Team eine zentrale Rolle spielte.

Ein weiteres Sicherheitstraining wurde vom 15. bis 19. November 2021 als HEAT-Auffrischungskurs in enger Kooperation mit dem BABZ für UNSGM-Expertinnen und -Experten in Berlin durchgeführt.

Training zu "Probennahme und Transport von infektiösen und toxischen Substanzen"

Training zur Probennahme und dem Transport von infektiösen Stoffen.
© RKI

Essentieller Bestandteil einer möglichen Mission im UNSGM-Kontext ist das Sammeln von stichfestem Beweismaterial. Hierzu zählt u.a. die Gewinnung von biomedizinischen Proben und Umweltproben, welche in von der UN-gelisteten Laboren hinsichtlich des vermuteten Erregers/Agens und dessen Ursprung intensiv untersucht werden würden.

Ein Training bestehend aus den Modulen „Probennahme“ und dem „Transport von infektiösen Substanzen“ wurde vom 19. bis 23. September 2023 im Rahmen des Projekts im Berliner Umland angeboten. Es nahmen 17 internationale Expertinnen und Experten daran teil. Das Modul "Sampling" zur Gewinnung von Proben im Rahmen des UNSGM stand unter der Federführung von Partnern der Public Health Agency of Canada und gab den Teilnehmenden einen Überblick zu Probennahmestrategien und -techniken. Eine sogenannte Table Top Exercise (TTX) zur Planung der Probennahme anhand eines Szenarios sowie praktische Übungen boten die Gelegenheit, Wissen zu vertiefen. Im Modul „Transport von infektiösen Substanzen“ vermittelte ein zertifizierter Trainer der Internationalen Luftverkehrs-Vereinigung (IATA) rechtliche Vorgaben und Regularien zur sicheren Verpackung und dem sicheren Versand von potentiell infektiösem Material. Die Teilnehmenden konnten den Kurs mit einem schriftlichen Examen abschließen und erhielten nach Bestehen ein zwei Jahre gültiges Zertifikat, welches sie zum internationalen Probenversand nach IATA-Standard befähigt.

2024 fand das Training erneut (17. bis 20. September 2023) mit den beiden Modulen in Kooperation mit den genannten Partnern statt. Ergänzt wurde der Kurs um den Aspekt des „Transports von Toxinen“, da diese neben infektiösen Substanzen auch Gegenstand einer möglichen Untersuchung sein können. Am Kurs zur „Probennahme und Transport von infektiösen und toxischen Substanzen" nahmen 14 UN-Expertinnen und -Experten aus 12 verschiedenen Ländern teil. 

Basic Training für UN-Expertinnen und -Experten

In enger Zusammenarbeit mit UNODA hat das RKI 2024 erstmals ein sogenanntes „UNSGM Basic Training“ in Deutschland ausgerichtet. Das intensive, zweiwöchige Training für nominierte UN-Expertinnen und -Experten führte zunächst in die Grundlagen des Mechanismus, involvierte Akteure (v.a. UN und Labore) sowie das Aufgabenspektrum und Mandat im Falle einer Entsendung zur Untersuchung eines möglichen Biowaffeneinsatzes ein. Vertreterinnen und Vertreter der UN vermittelten außerdem Inhalte zur operativen Sicherheit, interkulturellem Bewusstsein und Kommunikationsstrategien. Die Teilnehmenden erhielten einen Überblick zu verschiedenen technischen Aspekten einer Untersuchung, wie zum Beispiel die Persönliche Schutzausrüstung, das Sammeln biologischer Proben und Möglichkeiten der Dekontamination. Da auch die Befragung von z.B. Augenzeugen oder Opfern wertvolle Informationen für die Beweisaufnahme liefern können, wurden die Teilnehmenden auch in Grundlagen zum Führen von Interviews geschult. Anhand einer eineinhalbtägigen Simulationsübung zu einem fiktiven Biowaffenanschlag konnten die Teilnehmenden gelerntes Wissen anwenden und aufgeteilt in zwei Teams ihren Einsatz planen, praktisch durchführen und ihre Ergebnisse präsentieren. Dabei waren neben fachlichem Wissen und Fertigkeiten auch Sozial- und Führungskompetenzen gefragt.   

Das UNSGM Basic Training fand vom 4. bis 15. November 2024 in Berlin statt und wurde von 16 UN-Expertinnen und -Experten aus 15 Ländern besucht. Unterstützt wurde der Kurs vom Medizinischen Forschungsinstitut der französischen Streitkräfte (IRBA) und der französischen Generaldirektion der Streitkräfte (DGA); der Militärischen Laboreinheit für biologische und chemische Verteidigung der portugiesischen Armee sowie finanziell durch das Auswärtige Amt, die Europäische Union und die kanadische Regierung. 

Simulationsübungen zum UNSGM

Als Abschluss verschiedener Trainingseinheiten absolvieren die UN-Expertinnen und -Experten idealerweise eine Simulationsübung, um ihr Wissen anzuwenden und ggf. weitere Trainingsbedarfe zu identifizieren.

Übung zum "Functional Subunit" Approach 2014

Feldübung zur Untersuchung eines fiktiven vermuteten Einsatzes biologischer Waffen.
© RKI

Die erste UNSGM Simulationsübung wurde im Auftrag des Auswärtigen Amtes vom RKI im November 2014 in Berlin organisiert. Es handelte sich um eine 10-tägige Feldübung zur Untersuchung eines fiktiven vermuteten Einsatzes biologischer Waffen nach Aktivierung des UNSGM. Das Hauptanliegen der Übung war, praktische Erfahrung mit dem von Dänemark vorgeschlagenen, sogenannten "Functional Subunit (FS)"- Ansatz zu erlangen und die Kooperation zwischen den individuellen Einheiten eines Untersuchungsteams zu trainieren. FS sind kleine Teams, die idealerweise aus zwei bis fünf Personen bestehen und ausgewählte Funktionen und Fähigkeiten in der Durchführung einer Untersuchung im Rahmen des UNSGM beitragen.

Capstone Übung 2020/2022

Auch die folgende UNSGM Simulationsübung, die sogenannte Capstone Exercise, wurde im Auftrag des Auswärtigen Amts vom RKI durchgeführt. Im Zentrum standen die Zusammenarbeit der Expertinnen und Experten des Missionsteams sowie die Kooperation mit relevanten Akteuren. Erlernte Fähigkeiten der Biowaffenexpertinnen und -experten sollten möglichst praxisnah angewendet werden. Dafür wurde der Einsatz in Form einer zweigeteilten Übung simuliert werden: Die im November 2020 durchgeführte Table Top Exercise stellte die Planungsphase der anschließenden Feldübung im September 2022 dar. Für das Projekt wurde ein Szenario entwickelt, das in einem fiktiven UN-Mitgliedsstaat spielt, in dem eine Infektionskrankheit mit schwerwiegenden Symptomen ausgebrochen ist. Das Mandat des Missionsteams liegt in der Untersuchung des möglichen Biowaffenanschlags. Beide Übungsabschnitte wurden von einem schwedischen Evaluationsteam und einem internationalen Beobachterteam professionell begleitet. Lesen Sie die Kurzversion des Berichts hier.

Die Table Top Exercise

Die Planungsphase der Mission fand vom 9. bis 13. November 2020 als eine sogenannte "Table Top Exercise (TTX)" statt. Dieses Format dient allgemein als Diskussionsforum zur Definition von Verantwortlichkeiten und Aufgaben im Bereich Notfallmanagement. Aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen wurde die TTX in virtueller Form durchgeführt, was eine breite Teilnahme von Fachpublikum aus verschiedensten Ländern ermöglichte. Während der TTX wurde von einem vierköpfigen Team bestehend aus UNSGM-Expertinnen und -Experten ein detaillierter Missionsplan erstellt welcher u.a. die Planung der Teamkomposition, die Ausrüstung, Interviews und Probennahmen umfasste. Gemeinsam mit UNSGM-Akteuren der Vereinten Nationen und Referenzlaboren wurden die Ergebnisse im Kreis der Anwesenden diskutiert.

Die Feldübung

Der in der TTX erarbeitete Einsatzplan diente als Basis für die praktischen Untersuchungen im Feld. Nach pandemiebedingter Verzögerung konnte dieser Teil der Capstone Exercise vom 19. bis 28. September 2022 in Berlin stattfinden. Ein 19-köpfiges Team aus Expertinnen und Experten wurde in das fiktive betroffene Land entsendet, um den Einsatz von biologischen Waffen zu prüfen. Zu den Kernelementen einer solchen Mission zählen zunächst Verhandlungen über die Aktivitäten und Modalitäten vor Ort, der Entnahme und Sicherstellung von Umwelt- sowie biomedizinischen Proben und der Durchführung von Gesprächen mit relevanten Akteuren (Zeugen, Opfer, Vertreter internationaler Organisationen vor Ort etc.). Zum interaktiven Austausch mit Partnern der UN, den beteiligen Laboren oder Vertretern des betroffenen Landes diente eine virtuelle Plattform. Anhand der gesammelten Fakten wurde ein Bericht von dem Missionsteam im Auftrag der Vereinten Nationen verfasst. Die zehntägige Feldübung war in seinen Anforderungen sehr komplex und konfrontierte das Team mit zunehmend erschwerten Randbedingungen. Daher ist die Übung im Vergleich zu Trainings oder Workshops als Stresstest zu verstehen und psychisch sowie physisch sehr herausfordernd.

Insgesamt waren bis zu 70 Personen in die Capstone Exercise involviert, darunter die nominierten Expertinnen und Experten, UNODA und WHO, internationale Beobachter, Rollenspieler und das RKI-Organisationsteam. Ein abschließender Evaluierungsbericht, erarbeitet von internationalen Beobachtern und dem Swedish Defence Research Agency (FOI), identifizierte wertvolle Einschätzungen, Bedarfe und Handlungs­empfehlungen für den UNSGM.

Übungsszenarien

Im Rahmen verschiedener Netzwerkaktivitäten hat das UNSGM-Projektteam beispielsweise mit Übungsszenarien unterstützt:

  • TTX zur Planung einer UNSGM Mission bei der „G7 Global Partnership Conference on Current Biosecurity Challenges“, Oktober 2022, Berlin
  • Feldübung mit praktischen Elementen wie Missionsplanung, Probennahme und dem Führen von Interviews beim UNSGM Basic Training, Oktober 2023, Frankreich