RAVE - Wissenschaftliche Begleitung der Einführung einer Immunisierung gegen Respiratorische Synzytialviren (RSV) in Deutschland: Akzeptanz, Umsetzung und Effektivität
Stand: 07.04.2025
Organisation und Finanzierung
Projektteam:
- Dr. Thomas Harder (Projektleitung)
- Modul 1: Dr. Julia Neufeind, Elisa Wulkotte, Nora Katharina Schmid-Küpke
- Modul 2: Dr. Cornelius Rau
- Modul 3: Dr. Viktoria Schönfeld (stellv. Projektleitung)
- Modul 4: Dr. Djin-Ye Oh, Dr. Stephan Fuchs
Kontakt: SchoenfeldV@rki.de
Projektlaufzeit: 01.11.2024 – 31.12.2027
Projektfinanzierung: Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
Beteiligte Fachgebiete: FG 33 (Impfprävention/STIKO), FG 17 (Konsiliarlabor für humanes Respiratorisches Synzytialvirus (RSV), Parainfluenzaviren (PIV) und Metapneumoviren (HMPV)) und MF1 (Genom-Kompetenzzentrum)
Das Projekt RAVE auf einen Blick
RAVE begleitet die erstmalige Einführung einer Prophylaxe und Impfung gegen RSV in Deutschland in insgesamt 4 Modulen. Wir untersuchen,
- was genau dazu beiträgt, dass die RSV-Prophylaxe von Eltern angenommen oder nicht angenommen wird,
- wie viele Kinder die RSV-Prophylaxe bzw. ältere Erwachsene die RSV-Impfung erhalten haben,
- wie wirksam die RSV-Impfung bei Erwachsenen ist und welchen Einfluss die RSV-Prophylaxe auf die Krankheitslast bei kleinen Kindern hat,
- wie man mögliche Resistenz bei RS-Viren überwachen kann.
RSV-Prophylaxe und RSV-Impfung – kurz erklärt
Seit Juni 2024 empfiehlt die STIKO allen Säuglingen eine RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab, um eine RSV-Erkrankung zu verhindern, durch die in Deutschland jährlich über 20.000 Säuglinge im Krankenhaus behandelt werden müssen.
RSV-Infektionen spielen nicht nur bei Kindern eine Rolle. Auch Erwachsene infizieren sich immer wieder mit RS-Viren, meistens ohne schwer krank zu werden. Vorerkrankungen und zunehmendes Alter erhöhen das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, sodass auch für Erwachsene eine Behandlung im Krankenhaus notwendig werden kann. Die STIKO empfiehlt seit August 2024 allen Personen ab 75 Jahren sowie allen Personen zwischen 60 und 74 Jahren mit schwerer Grunderkrankung die einmalige RSV-Impfung.
Was ist das Ziel von RAVE?
Die RSV-Prophylaxe ist kostenlos und wird allen Kindern im 1. Lebensjahr angeboten. Trotzdem werden sie wahrscheinlich nicht alle Kinder erhalten. Im Projekt RAVE wollen wir Antworten auf die Fragen finden:
- Wie viele Kinder haben die Prophylaxe nicht erhalten? Wo haben besonders wenige Kinder die Prophylaxe nicht bekommen? Welche Eltern haben sich gegen die Prophylaxe entschieden und warum? Welche Probleme sehen ÄrztInnen bei der praktischen Umsetzung der STIKO-Empfehlung? Wie wirkt sich die RSV-Prophylaxe auf die Krankheitslast aus?
- um Wege zu finden, wie möglichst viele Kinder von der RSV-Prophylaxe profitieren können.
- Auch bei Erwachsenen, denen die RSV-Impfung empfohlen wird, wollen wir wissen: Wie viele Personen erhalten die RSV-Impfung? Wo und welche Personengruppen nehmen die Impfung nicht gut an? Wie gut schützt die Impfung diese Risikogruppen vor schwerer Erkrankung?
- um zu beurteilen, ob die STIKO-Empfehlung bestmöglich dazu beiträgt, die Krankheitslast in der Bevölkerung Deutschlands zu senken.
Die 4 Module von RAVE im Detail
Modul 1: Barrieren und Treiber für die Inanspruchnahme der RSV-Immunisierung bei Säuglingen
Modul 1 gliedert sich in drei Arbeitspakete. In Arbeitspaket 1.1 wird die Akzeptanz bei (werdenden) Eltern für die neu empfohlene Immunisierung ihrer (ungeborenen) Kinder erfasst und es werden Personengruppen mit geringer Immunisierungsquote identifiziert. Um zeitnah erste Ergebnisse zu generieren, werden Eltern und werdende Eltern nach der ersten RSV-Saison seit Bestehen der STIKO-Empfehlung über einen Panel-Anbieter befragt (im April/Mai 2025). Eine zweite Befragung von Eltern erfolgt ein Jahr später. Die Rekrutierung findet in diesem Fall an Orten statt, die junge Eltern häufig besuchen (z.B. Arztpraxen, Familienzentren) und online, damit auch Eltern mit anderen Sprachkenntnissen als Deutsch befragt werden können. In Arbeitspaket 1.2 sollen Prozesse der Implementierung der neuen RSV-Empfehlung verstanden und Herausforderungen identifiziert werden. Hierzu werden qualitative Expert:inneninterviews mit Health Care Workern aus niedergelassenen Praxen und stationären Einrichtungen geführt. Arbeitspaket 1.3 widmet sich der Integration der Ergebnisse aus den Arbeitspaketen 1.1 und 1.2.
Modul 2: RSV-Immunisierungs- und Impfquoten in Deutschland
In Modul 2 wird die Inanspruchnahme der RSV-Immunisierung bei Säuglingen sowie der RSV-Impfung bei älteren Menschen in Deutschland untersucht. Hierbei sollen die folgenden Fragen beantwortet werden: Wie hoch sind die RSV-Immunisierungs- bzw. RSV-Impfquoten in den Zielgruppen der STIKO-Empfehlungen sowie in weiteren von der Zulassung gedeckten Indikationsgruppen nach Inkrafttreten der jeweiligen STIKO-Empfehlung und wie entwickeln sie sich? Gibt es regionale Unterschiede?
Für die Berechnung werden Daten des Forschungszentrums Gesundheit (FDZ Gesundheit) herangezogen. Zur Berechnung der Immunisierungsquote einer Saison wird die Anzahl der gegen RSV-immunisierten Säuglinge ins Verhältnis zur Gesamtzahl aller Säuglinge im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, die für eine Immunisierung in Frage kamen, gesetzt. Die Immunisierungsquote wird bundesweit und regional aufgeschlüsselt berichtet. Die RSV-Impfquoten bei Personen ab 60 Jahre werden nach Altersgruppe, Geschlecht und Region aufgeschlüsselt und im Kontext der Inanspruchnahme von Impfungen gegen andere respiratorische Erkrankungen verursachende Erreger (bspw. Influenza, COVID-19) untersucht.
Modul 3: Effektivität und Impact der RSV-Immunisierungsstrategie
In Modul 3 werden wir untersuchen, wie effektiv die RSV-Impfung und die RSV-Prophylaxe in der Bevölkerung Deutschlands sind. In den Studien, die zur Zulassung der RSV-Impfung für ältere Menschen durchgeführt wurden, zeigten sich die Impfstoffe hoch wirksam. Ob das in der realen Welt, in der auch sehr alte Menschen oder Menschen mit vielen Vorerkrankungen geimpft werden, ähnlich ist, wollen wir mit Hilfe von routinemäßig erhobenen Daten herausfinden. Dafür werden wir beispielsweise mit anonymen Abrechnungsdaten von Krankenkassen berechnen, welcher Anteil der RSV-geimpften SeniorInnen und welcher Anteil der nicht geimpften SeniorInnen in den nachfolgenden RSV-Saisons wegen einer RSV-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden musste und dadurch sehen, ob sich die hohe Wirksamkeit der Impfung bestätigt oder auch bei welchen Gruppen dies vielleicht nicht der Fall ist. Auch bei den Säuglingen, der von RSV am stärksten betroffenen Altersgruppe, werden wir analysieren, wie sich die Krankheitslast seit der STIKO-Empfehlung und im Verhältnis von der in der Bevölkerung erreichten Immunisierungsquote entwickelt.
Modul 4: Methodenentwicklung für ein genombasiertes RSV-Resistenzmonitoring
Die Immunprophylaxe mit Nirsevimab ermöglicht es, Säuglinge effektiv und sicher vor schweren RSV-Verläufen zu schützen. Doch aufgrund der hohen genetischen Plastizität von RSV – einem RNA-Virus – besteht die Möglichkeit, dass sich resistente Varianten entwickeln. Solche "Escape-Varianten" könnten das Risiko erhöhen, dass der schützende Effekt von Nirsevimab nicht mehr wirksam ist. Ziel von Modul 4 ist die Entwicklung laborexperimenteller und bioinformatischer Methoden, die es zukünftig ermöglichen werden, die in Deutschland zirkulierenden RS-Viren auf Nirsevimab-Escape zu monitoren.
Mit Hilfe der Ergebnisse aus allen 4 Modulen kann die STIKO beurteilen, ob die RSV-Prophylaxe bei Kindern und die RSV-Impfung bei Erwachsenen die erwarteten Effekte hervorruft. In Zusammenschau der Ergebnisse lässt sich beurteilen, ob und bei welchen Personengruppen eine bessere Akzeptanz oder eine bessere Umsetzung der Empfehlung einen stärkeren Effekt bewirken könnte, aber auch ob eine Anpassung der Empfehlung sinnvoll sein könnte.