Themenblatt: Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung in Kindertagesstätten
Stand: 09.12.2020
Kernaussagen
- Laut Präventionsbericht des GKV-Spitzenverbandes und des MDS unterstützten die gesetzlichen Krankenversicherungen im Jahr 2018 über 12.000 Kitas bei Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung.
- Die Laufzeit der von der GKV im Jahr 2015 in Kitas unterstützten Maßnahmen betrug durchschnittlich 27 Monate.
- 82 % der von der GKV im Jahr 2015 in Kitas unterstützten Maßnahmen bezogen sich auf Ernährung und 77 % auf Bewegung.
Hintergrund
Bei Kleinkindern stellt die Lebenswelt (Setting) Kinderbetreuungseinrichtungen/ Kindertagesstätte (Kita) eine zentrale Zugangsmöglichkeit für die Adipositasprävention dar [1]. Über Kitas kann schon vor dem Schuleintritt ein sehr großer Teil der Kinder in Deutschland erreicht werden. Vor allem Kinder mit schlechteren Gesundheitschancen und aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen, die häufig nur schwer zu erreichen sind, profitieren vom Kita-Besuch. Neben der Regelversorgung bieten Kitas die Möglichkeit, breitenwirksame Fördermaßnahmen umzusetzen, die auch der Entwicklung kindlicher Adipositas vorbeugen können. Mehrere Übersichtsarbeiten haben die Wirksamkeit von Maßnahmen in Kitas bei der Adipositasprävention untersucht [2-8]. Die Ergebnisse zeigen, dass sich ein ausgewogenes Ernährungsangebot und ein qualifiziertes Angebot an Bewegungsmöglichkeiten in der Kita positiv auf das Ernährungsverhalten und die körperliche Aktivität der Kinder auswirken und somit einen wichtigen Beitrag für die Prävention von Adipositas im Kindesalter leisten können (siehe Themenblatt: Verpflegung in Kitas) [3, 6]. Dabei ist es besonders wichtig, dass die Eltern in die Maßnahmen einbezogen werden, weil die Nachhaltigkeit gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen und Verhältnisse einer Unterstützung im familiären Umfeld bedarf [9]: So bieten Kitas beispielsweise die Möglichkeit, die Eltern in die Essensplanung miteinzubeziehen oder im Rahmen von Workshops gesundheitsrelevante Themen zu behandeln.
Indikatoren und Datenquellen
Indikatoren sind die Anzahl der Kitas, in denen die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung unterstützt (Indikator H.2.1a), die Anzahl der Kitas in „sozialen Brennpunkten“, in denen die GKV Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung unterstützt (Indikator H.2.1b) sowie die Anzahl der Personen (Schätzung), die durch GKV-unterstützte Maßnahmen in Kitas erreicht werden (Indikator H.2.1c). Der Indikator Anzahl der Kitas in „sozialen Brennpunkten“, in denen die GKV Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung unterstützt, ist besonders vor dem Hintergrund des gesetzlichen Auftrags der Krankenkassen relevant, dass die von ihnen geförderten Maßnahmen gemäß § 20 des SGB V „insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen“ sollen. Ob eine Kita in einem „sozialen Brennpunkt“ liegt, wird durch die bearbeitenden Personen der GKV oder durch die Kooperationspartner in den Einrichtungen eingeschätzt [10].
Um die GKV-unterstützten Maßnahmen in Kitas näher zu charakterisieren, bildet je ein Indikator die Anzahl der Maßnahmen nach bestimmten Laufzeiten (Indikator H.2.2) bzw. inhaltlichen Ausrichtungen ab (Indikator H.2.3). Diese Indikatoren werden seit dem Präventionsbericht 2016 nicht mehr zur Verfügung gestellt und beziehen sich daher auf das Berichtsjahr 2015.
Datenquelle für die Indikatoren sind die Präventionsberichte der GKV (siehe Infobox) [11, 12]. Grundlage der Präventionsberichte bilden die Dokumentationsbögen der gesetzlichen Krankenkassen, anhand derer Informationen über Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung der GKV erfasst werden.
Ergebnisse
Laut Präventionsbericht von 2019 wurden von der GKV im Jahr 2018 insgesamt 12.890 Kitas bei Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung unterstützt (Indikator H.2.1a). Schätzungsweise wurden durch diese Maßnahmen über 630.000 Personen direkt erreicht (Indikator H.2.1c). Nach einem Anstieg der erreichten Personen von 2007 bis 2013 ist die erreichte Personenzahl 2014 deutlich zurückgegangen und steigt seitdem wieder an. 2.163 der erreichten Kitas lagen im Jahr 2018 in einem „sozialen Brennpunkt“ (Indikator H.2.1b). Dies entsprach laut Präventionsbericht einem Anteil von 21 % an allen erreichten Kitas, unter Zugrundelegung der Einrichtungen, aus denen gültige Angaben zu der Frage vorliegen, ob die Kita in einem „sozialen Brennpunkt“ liegt [12]. Seit 2010 lag dieser Wert laut jeweiligem Präventionsbericht immer zwischen 20 % und 30 %.

Der überwiegende Teil der Maßnahmen in Kitas hatte im Berichtsjahr 2015 eine Laufzeit von über einem Jahr (73 %), 16 % umfassten einen Zeitraum von 7 bis 12 Monaten und bei 11 % der Maßnahmen betrug die Laufzeit maximal 6 Monate (Indikator H.2.2).

Die inhaltlichen Schwerpunkte lagen im Berichtsjahr 2015 bei 82 % der Maßnahmen auf dem Thema Ernährung und bei 77 % der Maßnahmen auf dem Thema Bewegung – wobei in einer Maßnahme auch mehrere Schwerpunkte gesetzt werden konnten (Indikator H.2.3). Darüber hinaus wurden die Themenfelder „Stärkung psychischer Ressourcen“ (67 %), Stressreduktion/ Entspannung (71 %) und „Gesundheitsgerechter Umgang miteinander“ (31 %) häufig als inhaltliche Ausrichtung genannt.

Einordnung der Ergebnisse
Trotz einer bisher unzureichenden Studienlage, bedingt durch einen Mangel an methodischer Begleitforschung und fehlender Evaluation von Maßnahmen, gelten Maßnahmen in Kitas als wichtiges Instrument, um der Entwicklung von Adipositas im Kindesalter vorzubeugen [15]. Deutschlandweit berichtet die GKV von über zwölftausend Kitas, bei denen sie Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung unterstützen, wobei die Zahl der erreichten Einrichtungen im Jahr 2014 vorrübergehend deutlich zurückgegangen war. Die Autorinnen und Autoren des Präventionsberichts erklären den Rückgang damit, dass seit 2014 mehrere große lebensweltbezogene Programme eigenständig durch die Träger der Einrichtungen weitergeführt werden [16]. Zudem war der Ausbau von Maßnahmen in Kitas von 2008–2012 ein explizit formuliertes Präventionsziel der GKV, was den deutlichen Anstieg der erreichten Kitas in diesem Zeitraum teilweise erklären kann [17]. Ab 2015 stieg die Anzahl der erreichten Kitas wieder an, was durch das 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz beeinflusst wurde. Vor dem Hintergrund der im Rahmen des Präventionsgesetzes deutlich erhöhten Mittel, welche die GKV für Prävention und Gesundheitsförderung in den Lebenswelten ausgeben soll, kann für die nächsten Jahre ein weiterer Anstieg erwartet werden. Angesichts des gesetzlichen Auftrags an die Krankenkassen, durch präventive Maßnahmen der sozial bedingten Ungleichheit von Gesundheitschancen entgegenzuwirken, wäre es wünschenswert, wenn diese zusätzlichen Mittel vor allem Betreuungseinrichtungen in sozial benachteiligten Wohngebieten („soziale Brennpunkte“) zugutekommen würden.
Die Präventionsberichte des GKV-Spitzenverbandes und des MDS liefern wichtige Kennziffern zur Einordnung, welche Zielsetzungen durch Maßnahmen in Kitas verfolgt werden, welche Dauer die Maßnahmen aufweisen und welche Reichweite die Maßnahmen haben. Nicht erfasst werden allerdings die Qualität der Maßnahmen sowie deren Wirksamkeit, sowie Maßnahmen, die nicht von der GKV unterstützt werden. Auch wenn sich die GKV als zentraler Akteur bei er Gesundheitsförderung in Kitas etabliert haben, existieren auch von weiteren öffentlichen und privaten Organisationen (z. B. private Krankenversicherungen) getragene Maßnahmen, die in den hier dargestellten Indikatoren nicht erfasst werden [18]. Darüber hinaus handelt es sich um Indikatoren, die in Bezug auf die Verlässlichkeit der Angaben nicht validiert sind [19]. Neben den hier berichteten Indikatoren werden über die Dokumentationsbögen weitere Angaben zu GKV-unterstützten Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung erhoben. So wird beispielsweise die Art der verhältnisbezogenen Aktivitäten oder der methodische Ansatz der Maßnahmen erfasst. Des Weiteren wird als wichtige Kenngröße auch die Ausgabensumme berichtet, die im Berichtsjahr durch die GKV in Präventionsmaßnahmen investiert wurde. Diese Angaben stehen durch die veröffentlichten Präventionsberichte aber nicht für die einzelnen Settings zur Verfügung und können daher nicht separat für das Setting Kita berichtet werden.
Kitas sind eine Lebenswelt, in der Kinder gesundheitsförderliches Verhalten lernen und leben können und eignen sich in besonderer Weise dafür, Maßnahmen zur Adipositasprävention und Gesundheitsförderung umzusetzen. Wichtig hierbei ist, dass es sich um möglichst dauerhafte Maßnahmen handelt, die hinsichtlich ihrer Qualität und Effekte regelmäßig evaluiert werden [19]. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Gesundheitsförderung, die weniger als Gesundheitserziehung, sondern vielmehr als ein ressourcenorientierter Ansatz verstanden werden sollte, nicht nur in Form von einzelnen Maßnahmen in der Kita umgesetzt wird, sondern beispielweise durch die entsprechende Verankerung in den Bildungsrahmenplänen der Länder dauerhaft in den Kita-Alltag integriert wird [9, 18].
Infobox: Präventionsberichte
Der jährlich erscheinende Präventionsbericht wird seit dem Jahr 2001 gemeinsam durch den GKV-Spitzenverband und den Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) herausgegeben. Seit 2007 formuliert die GKV (freiwillige) Präventions- und Gesundheitsförderungsziele, die zum großen Teil anhand der Daten der Präventionsberichte quantifiziert werden können [13]. Durch Inkrafttreten des Präventionsgesetzes im Jahr 2015 fließt die Dokumentation der Krankenkassen zu ihren Leistungen nach § 20 SGB V in den Präventionsbericht der Nationalen Präventionskonferenz (NPK) ein, der alle vier Jahre zu erstellen ist. Der erste Präventionsbericht der NPK ist am 25.6.2019 dem Bundesministerium für Gesundheit übergeben worden [14].
Literatur
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2002) »Früh übt sich…« – Gesundheitsförderung im Kindergarten: Impulse, Aspekte und Praxismodelle. BZgA, Köln
- Hesketh KD, Campbell KJ (2010) Interventions to prevent obesity in 0-5 year olds: an updated systematic review of the literature. Obesity 18(Supplement 1):S27-S35
- Mikkelsen MV, Husby S, Skov LR et al. (2014) A systematic review of types of healthy eating interventions in preschools. Nutrition Journal 13:56
- Redsell SA, Edmonds B, Swift JA et al. (2015) Systematic review of randomised controlled trials of interventions that aim to reduce the risk, either directly or indirectly, of overweight and obesity in infancy and early childhood. Maternal & Child Nutrition
- Sisson SB, Krampe M, Anundson K et al. (2016) Obesity prevention and obesogenic behavior interventions in child care: a systematic review. Preventive Medicine 87(SC):57-69
- Steenbock B, Pischke C, Schönbach J et al. (2014) Wie wirksam sind ernährungs- und bewegungsbezogene primärpräventive Interventionen im Setting Kita? Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 58:609-619
- Wolfenden L, Jones J, Williams CM et al. (2016) Strategies to improve the implementation of healthy eating, physical activity and obesity prevention policies, practices or programmes within childcare services. Cochrane Database of Systematic Reviews (10)
- Dadaczynski K, Feesche J, Walter U (2018) Wirksamkeit lebensweltbezogener Übergewichtsprävention im Kindes- und Jugendalter - Eine Übersicht der internationalen Befundlage. In: Dadaczynski K, Quilling E, Walter U (Hrsg.) Übergewichtsprävention im Kindes- und Jugendalter Grundlagen, Strategien und Interventionskonzepte in Lebenswelten. Hogrefe, Göttingen, S. 211-227
- Geene R, Richter-Kornweitz A, Strehmel P et al. (2016) Gesundheitsförderung im Setting Kita. Prävention und Gesundheitsförderung 11(4):230-236
- Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS), GKV-Spitzenverband (GKV) (2011) Präventionsbericht 2011. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung: Primärprävention und betriebliche Gesundheitsförderung. Berichtsjahr 2010.
- Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS), GKV-Spitzenverband (GKV) (2019) Präventionsbericht 2019. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung: Primärprävention und Gesundheitsförderung. Leistungen der sozialen Pflegeversicherung: Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen. Berichtsjahr 2018.
- Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS), GKV-Spitzenverband (GKV) (2019) Tabellenband zum Präventionsbericht 2019. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung: Primärprävention und Gesundheitsförderung. Leistungen der sozialen Pflegeversicherung: Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen. Berichtsjahr 2018.
- Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS), GKV-Spitzenverband (GKV) (2008) Präventionsbericht 2008 - Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung: Primärprävention und betriebliche Gesundheitsförderung - Berichtsjahr 2007.
- Die Nationale Präventionskonferenz (NPK) (2019) Erster Präventionsbericht nach § 20d Abs. 4 SGB V. NPK, Berlin
- Blüher S, Kromeyer-Hauschild K, Graf C et al. (2016) Aktuelle Empfehlungen zur Prävention der Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Klinische Pädiatrie 228(01):1-10
- Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS), GKV-Spitzenverband (GKV) (2016) Präventionsbericht 2016. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung: Primärprävention und betriebliche Gesundheitsförderung. Berichtsjahr 2015.
- Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS), GKV-Spitzenverband (GKV) (2018) Präventionsbericht 2018. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in der Primärprävention und betriebliche Gesundheitsförderung. Berichtsjahr 2017.
- Robert Koch-Institut (RKI) (Hrsg.) (2015) Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gemeinsam getragen von RKI und Destatis. RKI, Berlin
- Geene R, Kliche T, Borkowski S (2015) Gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung im Setting Kita. Erfolgsabschätzung und Ableitung eines Evaluationskonzepts. Eine Expertise im Auftrag des Kooperationsverbundes gesundheitsziele.de. Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V., Köln