Themenblatt: Zuckerhaltige Erfrischungsgetränke
Stand: 02.07.2020
Kernaussagen
- Laut KiGGS Welle 2 (2014–2017) trinken 20 % der Heranwachsenden täglich zuckerhaltige Erfrischungsgetränke.
- Bei Jungen ist die Häufigkeit des täglichen Konsums zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke mit 22 % deutlich höher als bei Mädchen mit 17 %.
- Im Vergleich zur KiGGS-Basiserhebung (2003–2006) ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die täglich zuckerhaltige Erfrischungsgetränke trinken, deutlich gesunken.
Hintergrund
Der Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke – unter denen üblicherweise mit Zucker gesüßte Fruchtgetränke oder Limonaden verstanden werden [1] – wird seit einigen Jahren als bedeutender Einflussfaktor der Adipositas diskutiert. Die überwiegende Anzahl der Übersichtsarbeiten zu diesem Thema kommt zu dem Ergebnis, dass ein regelmäßiger Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke mitverantwortlich für die Entwicklung von Adipositas im Kindes- und Jugendalter gemacht werden kann [2-4]. Als mögliche Ursachen für diesen Zusammenhang werden der hohe Energiegehalt bei niedrigem Sättigungseffekt, der hohe glykämische Index (ein Maß, das angibt, wie stark der Blutzucker nach Verzehr eines kohlenhydrathaltigen Lebensmittels ansteigt) und der häufig hohe Fruktosegehalt von zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken diskutiert [5]. Darüber hinaus zeigen Kinder und Jugendliche, die regelmäßig zuckerhaltige Erfrischungsgetränke konsumieren, häufig weitere adipositasbegünstigende Verhaltensweisen wie einen hohen Fernsehkonsum oder einen hohen Konsum energiedichter Snacks [6, 7]. Deutschland hat im internationalen Vergleich einen hohen Absatz von Erfrischungsgetränken, der sich seit den 1970er Jahren, nach einer langen Phase des Anstiegs, mehr als verdoppelt hat [8]. Seit 2013 ist der Absatz von Erfrischungsgetränken in Deutschland jedoch rückläufig [9].
Indikatoren und Datenquellen
Indikator ist der Anteil der 3- bis 17-jährigen Mädchen und Jungen, die täglich zuckerhaltige Erfrischungsgetränke trinken (Indikator C.2.1). Datenquelle ist die „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS-Studie) des Robert Koch-Instituts (RKI), die auf einer bundesweiten bevölkerungsrepräsentativen Einwohnermeldeamtsstichprobe basiert und Querschnitts- und Längsschnittdaten zur gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen liefert [10]. Die verwendeten Daten stammen aus der KiGGS-Basiserhebung (2003–2006) und der KiGGS Welle 2 (2014–2017) [11]. In beiden Erhebungen wurde der Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke anhand eines Verzehrhäufigkeitsfragebogens erhoben, der von den Kindern und Jugendlichen (bei 11- bis 17-Jährigen) bzw. deren Eltern (bei 3- bis 10-Jährigen) ausgefüllt wurde [12, 13]. Zwischen den Erhebungen wurde der Fragebogen leicht modifiziert. In der KiGGS-Basiserhebung wurden Energy Drinks und in KiGGS Welle 2 kalorienreduzierte Getränke jeweils separat erfasst und im Indikator nicht berücksichtigt.
Ergebnisse
Laut KiGGS Welle 2 (2014–2017) trinken 20 % der Kinder und Jugendlichen täglich zuckerhaltige Erfrischungsgetränke (Indikator C.2.1). Bei Mädchen beträgt der Anteil 17 % und bei Jungen 22 %. Mit zunehmendem Alter steigen die Anteile bei Mädchen und Jungen. In der Altersgruppe der 3- bis 6-Jährigen konsumieren 10 % der Mädchen und 13 % der Jungen täglich zuckerhaltige Erfrischungsgetränke, in der Altersgruppe der 14- bis 17-Jährigen sind es 21 % der Mädchen und 32 % der Jungen. Im Vergleich zur KiGGS-Basiserhebung (2003–2006) sind die Anteile bei Mädchen und Jungen in allen Altersgruppen deutlich gesunken. Weiterführende Auswertungen der KiGGS-Daten zeigen, dass ein täglicher Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke vor allem bei Kindern und Jugendlichen aus niedrigen sozialen Statusgruppen verbreitet ist [13].

Einordnung der Ergebnisse
Ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland konsumiert laut KiGGS Welle 2 (2014–2017) täglich zuckerhaltige Erfrischungsgetränke. Bei der Interpretation der Daten muss beachtet werden, dass es sich um Selbstangaben handelt. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse durch Erinnerungsfehler oder soziale Erwünschtheit (d. h. einem Antwortverhalten, bei dem die Befragten eher die Antwort geben, von der sie glauben, dass sie auf Zustimmung trifft [14]) verzerrt sind. Zudem wurde in der KiGGS-Basiserhebung die Verzehrhäufigkeit kalorienreduzierter Erfrischungsgetränke nicht differenziert erfasst. Studien zeigen jedoch, dass diese Getränke in den letzten Jahren nur einen kleinen Anteil an den von Kindern und Jugendlichen konsumierten und in Geschäften angebotenen gesüßten Erfrischungsgetränken ausmachen [13, 15]. Mit Zuckerersatzstoffen gesüßte Erfrischungsgetränke werden hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Auswirkungen und ihrer Rolle bei der Entstehung von Übergewicht und Adipositas kontrovers diskutiert [16].
Grundsätzlich gilt sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene die Empfehlung, den täglichen Flüssigkeitsbedarf über Wasser oder ungezuckerte Kräuter- und Früchtetees zu decken [17]. Die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die Verpflegung in Kitas und Schulen sehen ebenfalls vor, dass Wasser und ungesüßter Tee zur freien Verfügung stehen und keine zuckerhaltigen Getränke angeboten werden sollten [18, 19]. Neben Ernährungs- und Angebotsempfehlungen werden weitere Maßnahmen diskutiert, um den Konsum von zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken in der Bevölkerung im Allgemeinen und speziell unter Kindern und Jugendlichen zu senken. Hierzu zählen Präventions- und Marketingkampagnen für Wasser oder andere ungesüßte Getränke, Aufstellverbote für Verkaufsautomaten mit zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, gesetzliche Einschränkungen für die Bewerbung von zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken, verbesserte Produktkennzeichnungen, verpflichtende Grenzwerte für den Zuckergehalt in Getränken und die Einführung einer Süßgetränkesteuer [20-22].
Infobox Süßgetränkesteuer
Als Süßgetränkesteuer wird eine Steuer bezeichnet, die ausschließlich auf gesüßte, alkoholfreie Getränke erhoben wird. Die Weltgesundheitsorganisation spricht sich für die Einführung einer Süßgetränkesteuer aus, um den Zuckerkonsum der Bevölkerung zu senken und damit auch der Entwicklung von Adipositas vorzubeugen [23]. In Deutschland hat sich unter anderem die „Deutsche Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten (DANK)“, ein Zusammenschluss von Fachgesellschaften, Verbänden und Forschungseinrichtungen, dieser Forderung angeschlossen [24]. Mittlerweile haben zahlreiche Länder und Regionen eine Süßgetränkesteuer eingeführt bzw. ihre Einführung geplant (z. B. Mexiko, San Francisco, Großbritannien und Frankreich) [20].
Literatur
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