Kontraindikationen zur Durchführung von Impfungen: Häufig gestellte Fragen und Antworten
Stand: 29.11.2017
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Patienten mit Gerinnungsstörung oder Blutungsneigung können fast immer subkutan (s.c.) geimpft werden. Die s.c.-Applikation ist bei den meisten Impfstoffen durch die Zulassung abgedeckt bzw. es findet sich ein anderer Impfstoff gegen den entsprechenden Erreger mit s.c.-Zulassung. Sollte keine Zulassung für eine s.c.-Gabe vorliegen, kann die Impfung ggf. auch intramuskulär (i.m.) mit einer sehr feinen Injektionskanüle und der anschließenden festen Komprimierung der Einstichstelle über mindestens 2 Minuten erfolgen, wenn eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung zugunsten einer Impfung ausfällt.[1]
In nachfolgender Tabelle finden sich nach Erreger geordnete Informationen zum empfohlenen bzw. vorgeschriebenen Injektionsweg sowie weiterführende Hinweise zur Injektion bei Gerinnungsstörungen oder Blutungsneigung aus der jeweiligen Fachinformation für alle derzeit in Deutschland erhältlichen Impfstoffe. Sofern in der Fachinformation angegeben, werden auch alternative Injektionswege aufgeführt. Keine Angabe im Feld "Alternativer Injektionsweg" bedeutet, dass es dazu keine Hinweise in der jeweiligen Fachinformation gibt.
Literatur:
Stand: 13.06.2019
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Autoimmunerkrankungen (z. B. Myasthenia gravis, Multiple Sklerose) oder chronisch-entzündliche Erkrankungen (z. B. Rheumatoide Arthritis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen) stellen grundsätzlich keine Kontraindikation für Schutzimpfungen dar. Studien konnten bisher keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer neu aufgetretenen Autoimmunkrankheit bzw. einer chronisch-entzündlichen Erkrankung oder einem Schub einer bereits bestehenden Erkrankung belegen.
Impfpräventable Infektionen können dagegen bei nicht-geimpften Personen mit Autoimmunkrankheiten oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen Morbidität und Mortalität erhöhen und z. B. einen Schub auslösen. Auch haben diese Personen durch die Grunderkrankung und/oder deren Therapie ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. Impfungen können somit das Risiko für symptomatische Erkrankungen durch die jeweiligen Erreger und für infektionsgetriggerte Schübe der Grunderkrankung verringern.
Grundsätzlich muss hinsichtlich der Impfindikation zwischen Erkrankungsverläufen mit und ohne immunsuppressive Therapie unterschieden werden.
Totimpfstoffe können bei diesen Personen unabhängig von einer immunsuppressiven Therapie angewendet werden. Lebendimpfstoffe können ohne oder bis 4 Wochen vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie regulär gegeben werden. Eine Ausnahme stellt die Myasthenia gravis dar, bei der die Gelbfieberimpfung immer kontraindiziert ist [1]. Da Lebendimpfstoffe potentiell vermehrungsfähige Impfviren enthalten und unter immunsuppressiver Therapie eine Erkrankung und/oder schwere bis tödliche Komplikationen hervorrufen können, ist ihre Anwendung unter immunsuppressiver Therapie kontraindiziert.
Ausführliche Hinweise für die Impfung von Patienten mit Autoimmunerkrankungen, chronisch–entzündlichen Erkrankungen bzw. unter immunsuppressiver Therapie finden sich in Papier IV-Impfen bei Immundefizienz (Wagner et al., 2019) und Papier III-Impfen bei Immundefizienz (Laws et al., 2020) und Mitteilungen der STIKO zu Immundefizienz.
Literatur:
1. Barwick Eidex, 2004, History of thymoma and yellow fever vaccination
Stand: 16.07.2020
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Neben den von der STIKO empfohlenen Impfungen sind auf der Basis der existierenden Impfstoff-Zulassungen weitere "Impfindikationen" möglich, auf die in den Empfehlungen der STIKO nicht eingegangen wird, die aber für den Einzelnen seiner individuellen (gesundheitlichen) Situation entsprechend sinnvoll sein können.
Es liegt in der Verantwortung des Arztes, seine Patienten auf diese weiteren Schutzmöglichkeiten hinzuweisen. Insofern hindert auch eine fehlende STIKO Empfehlung den Arzt nicht an einer begründeten Impfung. Wenn die individuell gestellte Impfindikation jedoch nicht Bestandteil einer für Deutschland gültigen Zulassung und der Fachinformation des entsprechenden Impfstoffes ist, erfolgt die Anwendung außerhalb der zugelassenen Indikation. Das hat im Schadensfall Folgen für Haftung und Entschädigung und bedingt besondere Dokumentations- und Aufklärungspflichten des impfenden Arztes.
Versorgungsansprüche wegen eines Impfschadens gemäß § 60 IfSG werden nur bei den von den Landesgesundheitsbehörden öffentlich empfohlenen Impfungen gewährt.
Stand: 14.12.2012
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Akute behandlungsbedürftige Erkrankungen (Ausnahme: postexpositionelle Impfung) stellen eine Kontraindikation für Impfungen dar. Die Impfung sollte erst nach der Genesung durchgeführt werden.
Unerwünschte Arzneimittelreaktionen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung müssen in Abhängigkeit von der Ausprägung keine absolute Kontraindikation gegen eine nochmalige Impfung mit dem gleichen Impfstoff sein. Ggf. kann mit besonderer Vorsicht geimpft werden, z.B. im teilstationären Setting oder mit einer Nachbeobachtungszeit von 30 Minuten in der Praxis.
Allergien gegen Bestandteile des Impfstoffs können Impfhindernisse darstellen. In Betracht kommen vor allem Neomycin und Streptomycin sowie in seltenen Fällen Hühnereiweiß (siehe " Kann bei bestehender Hühnereiweißallergie geimpft werden?"). Personen, die eine anaphylaktische Reaktion nach einer Impfung hatten, sollten eine allergologische Abklärung anstreben, um den ursächlichen Bestandteil des Impfstoffs zu identifizieren und zukünftig meiden zu können. Impfstoffe, die eine anaphylaktische Reaktion ausgelöst haben, ohne dass das auslösende Agens identifiziert werden konnte, sind kontraindiziert. Für viele Impfstoffe sind inzwischen Alternativen ohne Allergene erhältlich, wie z.B. Hühnereiweiß-freie Präparate.
Während einer Schwangerschaft sind nur empfohlene und dringend indizierte Impfungen durchzuführen, viele Totimpfstoffe können aber problemlos ab dem 2. Trimenon gegeben werden (siehe " Kann in der Schwangerschaft und Stillzeit geimpft werden?"). Für die Lebendimpfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen stellt eine Schwangerschaft eine Kontraindikation dar.
Im Fall eines angeborenen oder erworbenen Immundefekts sollten vor der Impfung mit einem Lebendimpfstoff die den Immundefekt behandelnden Ärztinnen oder Ärzte konsultiert werden (siehe Papiere Impfen bei Immundefizienz).
Stand: 25.01.2024
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Häufig unterbleiben indizierte Impfungen, weil bestimmte Umstände irrtümlicherweise als Kontraindikationen angesehen werden. Aus Befragungen und Studien ist bekannt, dass einer der Hauptgründe für niedrige Durchimpfungsraten diese auch von Ärzten häufig falsch verstandenen und unsachgemäß angewendeten Kontraindikationen sind. Es ist deshalb besonders in diesem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen, dass banale Infekte, auch wenn sie mit subfebrilen Temperaturen (≤ 38,5 °C) einhergehen, keine Kontraindikation gegen eine Impfung darstellen.
Weitere falsche Kontraindikationen sind z.B.:
- Ein möglicher Kontakt des Impflings zu Personen mit ansteckenden Krankheiten,
- Krampfanfälle in der Familie,
- Fieberkrämpfe in der Anamnese des Impflings (da fieberhafte Impfreaktionen einen Krampfanfall provozieren können, ist zu erwägen, Kindern mit Krampfneigung Antipyretika zu verabreichen: z.B. bei Totimpfstoffen zum Zeitpunkt der Impfung und jeweils 4 und 8 Stunden nach der Impfung sowie bei der MMR-Impfung zwischen dem 7. und 12. Tag im Falle einer Temperaturerhöhung),
- Ekzem,
- Dermatosen,
- lokalisierte Hautinfektionen,
- Behandlung mit Antibiotika oder mit niedrigen Dosen von Kortikosteroiden oder lokal angewendeten steroidhaltigen Präparaten,
- Schwangerschaft der Mutter des Impflings,
- angeborene oder erworbene Immundefekte bei Impfung mit Totimpfstoffen,
- Neugeborenen-Ikterus,
- Frühgeburtlichkeit: Frühgeborene sollten unabhängig von ihrem Geburtsgewicht entsprechend dem empfohlenen Impfalter geimpft werden,
- chronische Erkrankungen sowie
- nicht progrediente Erkrankungen des ZNS.
Indizierte Impfungen sollen insbesondere bei Personen mit chronischen Erkrankungen durchgeführt werden, da diese Personen durch schwere Verläufe und Komplikationen impfpräventabler Krankheiten besonders gefährdet sind. Personen mit chronischen Erkrankungen sollen über den Nutzen der Impfung im Vergleich zum Risiko der Krankheit aufgeklärt werden. Es liegen keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, dass eventuell zeitgleich mit der Impfung auftretende Krankheitsschübe ursächlich durch eine Impfung bedingt sein können.
Stand: 14.12.2012
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Die Impfung in der Inkubationsphase einer impfpräventablen Krankheit gilt im Hinblick auf mögliche Impf- und Erkrankungskomplikationen als sicher. Negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf werden bei der Gabe von Impfstoffkomponenten und gleichzeitiger Ansteckung nicht beobachtet. Eine rechtzeitige postexpositionelle Impfung kann bei bestimmten Infektionen den Ausbruch der Erkrankung sogar verhindern oder abmildern. Postexpositionelle Impfungen können außerdem dazu genutzt werden, bestehende Impflücken zu schließen.
Stand: 14.12.2012